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Verkehrsstrafrecht 
14.08.2019

OLG München zum Überkleben des Euro-Feldes eines Autokennzeichens

ESV-Redaktion Recht
Die Zahl der Fälle, in denen KfZ-Halter das blaue Euro-Feld ihres Kennzeichens mit einer „Reichsflagge“ oder einem „Preußenadler“ überkleben, bleibt offenbar stabil. Das Amtsgericht Altenburg sieht hierin kein strafbares Verhalten. Nun hat sich auch das Oberlandesgericht München hierzu geäußert.

Der Angeklagte geriet Mai 2017 mit seinem BMW in München in eine Polizeikontrolle. Er hatte bei beiden KfZ-Kennzeichen die blauen Euro-Felder mit Aufklebern verdeckt. Diese zeigten den schwarzen Reichsadler. Das zuständige Amtsgericht ahndete dies mit einem Strafbefehl, der eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 EUR vorsah. Die Ausgangsinstanz sah darin eine Urkundenfälschung nach § 267 Absatz 1 StGB.

Gegen diesen Strafbefehl wendete sich der Angeklagte mit einem Einspruch. Er meinte sein Verhalten sei weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit. Im Ergebnis ohne Erfolg: Das Ausgangsgericht verurteilte den Angeklagte im November 2017 nun wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 Absatz 1 Nr. 3 und Absatz 2 StVG zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR. Den Tatbestand der Urkundenfälschung sah das AG nicht mehr als erfüllt an. Dem Richterspruch zufolge liegt kein Vorsatz für eine Täuschung im Rechtsverkehr vor. Mit dem Aufkleber habe der Angeklagte keine andere Person aufgrund eines Irrtums zu einem rechtserheblichen Verhalten veranlassen wollen. Vielmehr habe der Angeklagte lediglich seine Missbilligung über die EU ausdrücken wollen.

LG München I: Überkleben des EU-Feldes ist Kennzeichenmissbrauch

Gegen das Urteil der Ausgansinstanz gingen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft in Berufung zum Landgericht München I. Die Staatsanwaltschaft sah auch die Urkundenfälschung als verwirklicht an.

Das Landgericht änderte das Ausgangsurteil, indem es den Angeklagten wegen Kennzeichenmissbrauchs 150 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilte. Die weitergehende Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das LG als unbegründet verworfen. Zwar erklärte der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin einen Rechtsmittelverzicht. Dennoch legte er, ebenso wie die Staatsanwaltschaft Revision gegen das LG-Urteil ein, die nach wie vor den Tatbestand der Urkundenfälschung als erfüllt betrachtete.

OLG München: Weder Urkundenfälschung noch Kennzeichenmissbrauch

Das OLG München hat die Revision des Angeklagten unter anderem wegen des Rechtsmittelverzichts als unzulässig verworfen. Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft führte zur Aufhebung des angegriffenen LG-Urteils und zur Zurückverweisung. Die wesentlichen Erwägungen des OLG:

Keine Urkundenfälschung

Das OLG sah in dem Verhalten des Angeklagten keine Urkundenfälschung. Die wesentlichen Argumente des OLG:
  • FZ-Kennzeichen ist zusammengesetzte Urkunde: In dem Kennzeichen sah das OLG zwar eine zusammengesetzte Urkunde im Sinne von § 267 Absatz 1 StGB.
  • Blaues Euro-Feld als Gestaltungselement: Zu diesem gehört auch das blaue Euro-Feld mit Sternenkranz und dem Erkennungsbuchstaben „D“ als Gestaltungselement im Sinne von Abschnitt 1 Nr. 3 der Anlage 4 zu § 10 Abs. 2 FZV.
  • Überkleben ist Verfälschung: Durch das Überkleben entsprachen die Kennzeichen auch nicht mehr den Vorgaben der benannten Anlage. Somit wurde das Kennzeichen verfälscht und entsprach nicht mehr § 10 FZV. Damit durfte das Fahrzeug nicht mehr auf öffentlichen Straßen betrieben werden
  • Aber – kein Vorsatz: Allerdings erfordert § 267 StGB, dass der Täter das verfälschte Dokument zur Täuschung im Rechtsverkehr einsetzt. Das heißt, eine andere Person muss aufgrund eines Irrtums zu einem rechtserheblichen veranlasst werden.
  • Täuschung der Zulassungsbehörde fernliegend: Eine rechtserhebliche Täuschung darüber, dass die Zulassungsbehörde der Landeshauptstadt München Teil des Staates Preußen sei, sah das OLG jedoch als fernliegend an. Vielmehr habe der Angeklagte mit dem Anbringen des Preußenadlers seine Missbilligung über die Europäische Union kundtun bringen wollen, so das OLG weiter.
Auch kein Kennzeichenmissbrauch

Das OLG nahm aber auch keinen Kennzeichenmissbrauch nach § 22 Absatz 2 in Verbindung mit  Absatz 1 Nr. 3 StVG an, obwohl es den objektiven Tatbestand der Normen als erfüllt ansieht. Die Begründung der Münchner Richter: 
  • Absicht der Täuschung im Rechtsverkehr auch bei Kennzeichenmissbrauch erforderlich: Es fehlte auch hier die Ansicht des Angeklagten, den Rechtsverkehr zu täuschen. Zwar lasse sich diese besondere Täuschungsabsicht nicht aus dem Gesetzeswortlaut entnehmen, so das OLG. Dennoch müsse der Täter in der rechtswidrigen Absicht handeln, über die verbotene Kennzeichnung einen falschen Beweis zu erbringen. Anderenfalls wäre jede Veränderung eines Kennzeichens strafbar – und zwar auch dann, wenn die Veränderung keine Auswirkungen auf den Rechtsverkehr haben kann. Hierbei wäre zu berücksichtigen, dass das Strafrecht nur die Ultima Ratio sein könne. Das Gericht spricht insoweit von einer sogenannten „überschießenden Innentendenz“. 
  • Rechtswidrige Absicht nicht erkennbar: Das Führen des Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr in dem Bewusstsein, dass das Kennzeichen durch das Aufbringen der Aufkleber verändert worden ist, reichte dem OLG aber als nicht ausreichend für den subjektiven Tatbestand an.
Ordnungswidrigkeit jedoch möglich

Weil ein Teil des Kennzeichens verdeckt war, kommt dem OLG zufolge aber eine Ordnungswidrigkeit (OWiG) nach den §§ 48 Nr. 1b, 10 Absatz 12 Satz 1 FZV in Verbindung mit Nr. 3 der Anlage 4 FZV in Betracht.

Insoweit ist nach Auffassung des OLG aber offen, ob die OWiG vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, oder ob gar ein vermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt. Dies muss nun eine andere Kammer des LG München I ermitteln.

Quelle: Urteil des OLG München vom 22.03.2019 – 4 OLG 14 Ss 322/18

Strafverfahren wegen Kennzeichenmissbrauch 14.06.2017
AG Altenburg: Fahren mit Reichsflagge auf KFZ-Kennzeichen nicht strafbar
In letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen Halter ihres Kraftfahrzeuges das blaue Euro-Feld ihres Kennzeichens mit der schwarz-weiß-roten Reichsflagge überkleben. Liegt hierin ein strafbarer Kennzeichenmissbrauch? In einem kürzlich ergangenen Urteil hat sich das Amtsgericht (AG) Altenburg hierzu geäußert. mehr …



(ESV/bp)