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Arbeitnehmerdatenschutz 
21.03.2017

BAG: Wann Busfahrer an elektronischen Warn- und Berichtssystemen teilnehmen müssen

ESV-Redaktion Recht
Busfahrer können zu Teilnahme an E-Warnsystemen verpflichtet sein (Foto: Rolf Stumpf/Fotolia.com)
Omnisbusbetriebe setzen zunehmend Informationssysteme ein, die Fahrereignisse auswerten und die Busfahrer auch über Geschwindigkeitsüberschreitungen informieren. Inwieweit greifen solche Systeme unzulässig in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Fahrer ein? Hierzu hat sich das Bundesarbeitsgericht geäußert.

In dem vorliegenden Fall betrieb die Beklagte ein Unternehmen im öffentlichen Nahverkehr. Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung hatte sie alle Fahrer zur Teilnahme an einem sogenannten RIBAS-System verpflichtet. Fahrer, die nicht an diesem personalisierten Berichts- und Prämiensystem teilnehmen wollten, erhielten einen anonymisierten Systemschlüssel.

Der Kläger stimmte einer Teilnahme an diesem System nicht zu. Dennoch hatte die Beklagte ihm Ende August 2014 einen anonymisierten Schlüssel zur Nutzung des Systems übergeben. Das entsprechende Empfangsbekenntnis sandte der Kläger aber nicht zurück.

Im weiteren Verlauf führten der Fachbereichsleiter Personal und der Leiter des Omnibusbetriebs ein weiteres Gespräch mit dem Kläger. Dabei erläuterten sie ihm das System und wiesen auf die Beteiligung des Landesdatenschutzbeauftragten hin. Zudem forderten sie den Kläger dazu auf, den anonymisierten RIBAS-Schlüssel ab sofort zu verwenden. Dem kam der Kläger auch nach einer entsprechenden Schulung nicht nach. Mehrere Abmahnungen der Beklagten bleiben weitgehend erfolglos. So nutzte der Kläger seinen RIBAS-Schlüssel zum Beispiel im Januar 2015 nur an sechs Arbeitstagen, an elf Arbeitstagen wiederum nicht. Im Rahmen eines Gesprächs mit seinem Teamleiter Ende Januar 2015 erklärte der Kläger, dass er sich zu der Angelegenheit nicht mehr äußern werde und die Angelegenheit gerichtlich klären lassen wolle.

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos und hilfsweise außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Hiergegen hatte sich der Kläger rechtzeitig mit einer Kündigungsschutzklage gewehrt. 

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Kläger: Kein wichtiger Grund für Kündigung

Der Kläger meinte, dass kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege. Er sei nicht zur Teilnahme am RIBAS-System verpflichtet gewesen. Zudem wäre die entsprechende Betriebsvereinbarung unwirksam. Darüber hinaus habe er nicht schuldhaft gehandelt, sondern sich in einem Verbotsirrtum befunden.

Instanzgerichte uneinig

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht meinte hingegen, dass die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Die Kündigung mit Auslauffrist hingegen sah das LAG als wirksam an. Mit seiner Revision wollte der Kläger die erstinstanzliche Entscheidung wiederherstellen lassen.

BAG: Kündigung mit Auslauffrist wirksam

Die Revision hatte keinen Erfolg. Für die Entscheidung, ob eine der Kündigungen wirksam ist, kam es maßgebend darauf an, ob die angestellten Busfahrer aufgrund ihres Arbeitsvertrages auch ohne ihre Zustimmung dazu verpflichtet waren, an dem dem RIBAS-System teilzunehmen. Dies richtete sich vor allem nach den Bestimmungen der getroffenen Betriebsvereinbarung, in Verbindung mit § 77 Absatz 4 Satz 1 BetrVG BetrVG und § 32 Absatz 1 BDSG. 

Im Wortlaut: § 77 Absatz 4 BetrVG 
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend (....). 
Im Wortlaut: § 32 Absatz 1 BDSG 
(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.(....)

BAG: Verwendung anonymisierter Schlüsssel nicht unverhältnismäßig

Nach Auffassung des BAG greift die Verpflichtung des Klägers mit dem anonymisierten Schlüssel am RIBAS-System teilzunehmen, nicht unverhältnismäßig in dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dies haben die Richter aus Erfurt im Wesentlichen wie folgt begründet:
  • Berechtigtes Interesse der Beklagten: Das berechtigte Interesse am Einsatz des Systems besteht darin, dass die beschäftigten Busfahrer zu einer vorausschauenden und sparsamen Fahrweise angehalten werden sollen. Dies betrifft unmittelbar die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung und damit die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 32 Absatz 1 Satz 1 BDSG. 
  • Ziele nicht unbillig oder unrechtmäßig: Die mit dem System verfolgten Ziele einer Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und die Steigerung der Kundenzufriedenheit sind dem Gericht zufolge nicht unbillig oder unrechtmäßig. Vielmehr wären diese ökonomisch vernünftig und würden im ökologischen Interesse der Allgemeinheit liegen.
  • Teilnahme am System geeignet: Die Teilnahme der Fahrer am RIBAS-System ist auch geeignet, diese Ziele zu erreichen. Das LAG habe zu Recht darauf abgestellt, dass das System nicht nur die Selbstkontrolle fördert. Vielmehr würde dieses auch Erkenntnisse über einen etwaigen Schulungsbedarf aufgrund des Vergleichs von Fahrleistungen mit den durchschnittlichen Grenzwerten liefern.       
  • Teilnahme aller Fahrer erforderlich: Zur Erreichung der verfolgten Ziele ist dem Richterspruch zufolge die Teilnahme aller Busfahrer, also auch die des Klägers, erforderlich. Das System soll nämlich Durchschnittswerte ermitteln und bei erheblichen Abweichungen einen hierdurch begründeten konkreten Schulungsbedarf erkennen. Hierfür wäre es erforderlich, dass alle Busfahrer zumindest anonymisiert an dem System teilnehmen. 
  • Kein geringeres Mittel: Das Gericht sah auch kein anderes Mittel, das gleich geeignet ist und den Beklagten weniger in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt. 
  • Beeinträchtigung nicht unverhältnismäßig: Die Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Klägers steht auch nicht außer Verhältnis zu den von der Beklagten verfolgten Interessen. So lag keine Dauerüberwachung der Busfahrer vor, die mit einer Videoüberwachung vergleichbar wäre. So wurden allein die Daten zu den fraglichen Fahrmanövern gespeichert und dies auch grundsätzlich nur zur Ermittlung der Durchschnittswerte.
  • Personalisierte Leistungskontrolle nur Ausnahmefall: Die personalisierte Leistungskontrolle erfolge nur aus gegebenem Anlass und ausschließlich zur Ermittlung von Schulungsbedarfs, so das Gericht abschließend.
Zum Urteil des BAG vom 17.11.2016, 2 AZR 730/15

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(ESV/bp)