Verkehrsrecht
19.10.2017
LG Hagen: Zwei Raser, aber kein illegales Autorennen
ESV-Redaktion Recht
Zwei Autofahrer verursachten im Sommer 2016 einen schweren Verkehrsunfall. Veranstalteten die Angeklagten hierbei ein illegales Autorennen? Hierüber und über die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen hat das Landgericht Hagen in dem anschließenden Strafprozess entschieden.
Der Unfallhergang stellt sich etwa wie folgt dar: Ein schwarzer Audi und ein roter Skoda stehen an einer roten Ampel für kurze Zeit nebeneinander. Die Ampel springt auf Grün, beide Fahrer geben ordentlich Gas und fahren deutlich zu schnell nebeneinander her. Ein Zeuge filmt dies aus seinem Fahrzeug heraus mit einer sogenannten Dashcam. Etwas später verliert er die beiden Unfallfahrer aus den Augen.
In einer unübersichtlichen Rechtskurve verursachen diese anschließend einen schweren Unfall: Der rechts fahrende Audifahrer weicht einem langsamer fahrenden Wagen nach links aus, der links fahrende Skoda weicht dem herüberfahrenden Audi ebenfalls nach links aus. Beide Fahrzeuge prallen in den Gegenverkehr. Bei dem Unfall werden fünf Menschen – darunter eine Mutter und ihre beiden Kinder – schwer verletzt. Der sechsjährige Sohn der Mutter schwebt längere Zeit in Lebensgefahr.
Vor allem die Annahme eines Rennens wurde nach Auffassung der Richter widerlegt. Ein solches sei weder durch Videoaufnahmen noch durch die Angaben von Zeugen oder aus dem Sachverständigengutachten herzuleiten. Dies stütze das Gericht auf folgende Erwägungen:
Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung schied dem Gericht zufolge deshalb aus. Dieser Fall wäre nicht mit den tödlichen Raserfällen in Köln, Mönchengladbach oder gar Berlin vergleichbar. In der Bundeshauptstadt wurden Raser sogar wegen Mordes verurteilt. Die Strafen in dem Hagener Fall lauteten wie folgt:
Strafverfolgungsinteresse überwiegt
Auch seien die Eingriffe in die Sozialsphäre von geringer Intensität. Im Rahmen einer Güterabwägung ist nach Meinung der Richter aus Hagen das Strafverfolungsinteresse des Staates daher höher zu bewerten als das informationelle Selbstbestimmungsrecht.
Urteil des LG Hagen vom 03.07.2017 – AZ: 46 KLs 25/16
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(ESV/bp)
Der Unfallhergang stellt sich etwa wie folgt dar: Ein schwarzer Audi und ein roter Skoda stehen an einer roten Ampel für kurze Zeit nebeneinander. Die Ampel springt auf Grün, beide Fahrer geben ordentlich Gas und fahren deutlich zu schnell nebeneinander her. Ein Zeuge filmt dies aus seinem Fahrzeug heraus mit einer sogenannten Dashcam. Etwas später verliert er die beiden Unfallfahrer aus den Augen.
In einer unübersichtlichen Rechtskurve verursachen diese anschließend einen schweren Unfall: Der rechts fahrende Audifahrer weicht einem langsamer fahrenden Wagen nach links aus, der links fahrende Skoda weicht dem herüberfahrenden Audi ebenfalls nach links aus. Beide Fahrzeuge prallen in den Gegenverkehr. Bei dem Unfall werden fünf Menschen – darunter eine Mutter und ihre beiden Kinder – schwer verletzt. Der sechsjährige Sohn der Mutter schwebt längere Zeit in Lebensgefahr.
Staatanwaltschaft: Illegales Rennen mit Tempo 100
Laut Anklageschrift hatten sich die beiden Unfallverursacher beim Stopp an einer Ampel spontan zu einem verbotenen Rennen verabredet. Anschließend sollen sie dann mit Tempo 100 oder noch schneller unterwegs gewesen sein. Erlaubt sind dort aber nur 50 km/h. Die Anklage ging daher von einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässigen Körperverletzung aus.Angeklagter: Kein Rennen veranstaltet
Der 46-järige Skoda-Fahrer und Familienvater wies diese Vorwürfe zurück. Er gab zwar zu, dass er an diesem Tag zu schnell unterwegs gewesen sei. Nach seiner Einlassung hat seine Frau ihm am aber Telefon mitgeteilt, dass es dem gemeinsamen Sohn sehr schlecht geht. Er habe schnell nach Hause gewollt, um seinen Sohn ins Krankenhaus zu fahren. Letztlich wären ihm seine Nerven durchgegangen. Ein rücksichtsloses Rennen habe daher nicht stattgefunden. Der zweite Angeklagte ließ sich nicht zur Sache ein.Newsletter Recht |
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Landgericht Hagen: Illegales Autorennen nicht nachweisbar
Der Vorwurf der Staatanwaltschaft relativierte sich dann im Rahmen der Beweisaufnahme. Danach hatten beide Angeklagte die besagte Straße mit mindestens 80 km/h befahren. Dennoch waren beide nach dem Urteil des LG Hagen viel zu schnell unterwegs. Hätten die Angeklagten sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 50 km/h gehalten, wäre die Situation beherrschbar geblieben, so das Gericht.Vor allem die Annahme eines Rennens wurde nach Auffassung der Richter widerlegt. Ein solches sei weder durch Videoaufnahmen noch durch die Angaben von Zeugen oder aus dem Sachverständigengutachten herzuleiten. Dies stütze das Gericht auf folgende Erwägungen:
- Dashcam-Aufnahmen bestätigen Zeugenaussage nicht: Der Zeuge, der den Ampelstart der beiden Angeklagten mit seiner Dashcam gefilmt hatte, gab an, diese hätten an der besagten Ampel für etwa drei bis fünf Sekunden nebeneinander gestanden. Dies hatten die Aufnahmen mit der Videokamera jedoch nicht bestätigt. Danach standen die beiden Fahrzeuge für höchstens zwei Sekunden nebeneinander, so das Gericht. So habe der rote Skoda gerade in dem Moment aufgehört zu rollen, in dem die Ampel auf gelb sprang. Beim Umspringen auf grün fuhren beide Fahrzeuge sofort und sehr zügig los.
- Zeitraum für Verabredung zu kurz: Diesen Zeitraum hielt die Kammer des LG für zu kurz, um spontan ein Autorennen zu verabreden. Auch aufgrund seiner Motivlage habe der Skoda-Fahrer keinen vernünftigen Grund gehabt, ein Rennen mit einem anderen Verkehrsteilnehmer auszutragen.
- Kein Druchdrehen der Räder oder sonstige Anzeichen: Darüber hinaus, so das Gericht weiter, hätten die Aufnahmen weder ein Durchdrehen der Räder noch sonst einen Hinweis darauf gezeigt, dass die Fahrzeugführer ihre Kräfte messen wollten. Soweit beide Fahrzeuge später mit hoher Geschwindigkeit annähernd parallel nebeneinanderfuhren, könnten unbewusste Mitzieheffekte eine Rolle gespielt haben.
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Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung
Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung schied dem Gericht zufolge deshalb aus. Dieser Fall wäre nicht mit den tödlichen Raserfällen in Köln, Mönchengladbach oder gar Berlin vergleichbar. In der Bundeshauptstadt wurden Raser sogar wegen Mordes verurteilt. Die Strafen in dem Hagener Fall lauteten wie folgt:
- Der Fahrer des Skoda erhielt wegen fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung.
- Der Audi-Fahrer wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.
Dashcam-Aufnahmen verwertbar
Die Hagener Richter hielten die Aufnahmen der Dashcam auch für verwertbar. Nach Auffassung des Gerichts kann offenbleiben, ob der Zeuge damit gegen § 6b BDSG verstoßen hat. Jedenfalls führe ein solcher Verstoß nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Zwar berühren verdeckten Aufnahmen das informationelle Selbstbestimmungsrecht von vielen Verkehrsteilnehmern. Dies, so das Gericht weiter, wäre aber nicht dem Staat zuzurechnen.Strafverfolgungsinteresse überwiegt
Auch seien die Eingriffe in die Sozialsphäre von geringer Intensität. Im Rahmen einer Güterabwägung ist nach Meinung der Richter aus Hagen das Strafverfolungsinteresse des Staates daher höher zu bewerten als das informationelle Selbstbestimmungsrecht.
Urteil des LG Hagen vom 03.07.2017 – AZ: 46 KLs 25/16
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