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Zweifel an Fahreignung aufgrund hausärztlicher Mitteilung 
21.01.2019

BayVGH zu den Voraussetzungen eines Gutachtens zur Fahreignung

ESV-Redaktion Recht
Gutachten zur Fahreignung: Konkrete Benennung von Erkrankungen, Diagnosen, Befunden oder Symptomen (Foto: Stockfotos-MG/Fotolia.com)
Hat die Fahrerlaubnisbehörde Hinweise auf erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen eines Führerscheininhabers, kann sie diesen auffordern, seine Fahreignung durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Entsprechende Hinweise können auch Hausärzte liefern. Doch wie konkret müssen diese Anhaltpunkte sein? Aufschluss hierüber gibt ein Beschluss des BayVGH.

In dem Streitfall ging es um die Mitteilung einer Hausärztin an die Fahrerlaubnisbehörde über verschiedene Erkrankungen ihres Patienten. Nach Ansicht der Ärztin bestehen berechtigte Zweifel an dessen Eignung, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Bei einer persönlichen Vorsprache im Dezember 2017 sei der Ärztin aufgefallen, wie schlecht sich ihr Patient fortbewegen könne. Diagnosen, Benennungen von Symptomen der Erkrankungen oder sonstige konkrete Vorkommnisse enthielt diese Mitteilung jedoch nicht.

Fahrerlaubnisbehörde: Mitteilung ist Tatsache im Sinne von § 11 Absatz 2 Satz 1 FeV

Dennoch wertete die Fahrerlaubnisbehörde den Inhalt der Mitteilung als Tatsache nach § 11 Absatz 2 Satz 1 FeV. So würde die hausärztliche Mitteilung Zweifel an der körperlichen und geistigen Eignung des betroffenen Patienten zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen. Die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens wäre daher gerechtfertigt. Weil zwei schriftliche Aufforderungen der Behörde an den Betroffenen, ein Gutachten zun Nachweis seiner Fahreignung beizubringen, erfolglos blieben, entzog sie ihm die Fahrerlaubnis für alle Klassen. Zudem ordnete sie unter Androhung eines Zwangsgelds die Vorlage des Führerscheins innerhalb von fünf Tagen an, verbunden mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrer Entscheidungen. Seinen Führerschein gab der Antragsteller daraufhin zwar ab.

Betroffener: Verstoß gegen ärztliche Schweigepflicht

Dennoch wendete sich der betroffene Führerscheininhaber mit einer Klage an das Verwaltungsgericht (VG) Regensburg gegen die Behördenentscheidung und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Seine Begründung:
  • Schweigepflichtverstoß: Die Mitteilung seiner Hausärztin sei ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht. Diese sei daher nicht verwertbar.
  • Spekulationen anstatt von Tatsachen: Es liegen keine Tatsachen vor, die Bedenken gegen die körperliche und geistige Eignung begründen würden. Die Annahmen der Behörden wären reine Spekulationen.
Das geforderte Gutachten legte der Betroffene nicht vor.

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VG Regensburg: Anordnung des Gutachtens rechtswidrig

Die Ausgangsinstanz hat die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt: Danach ist der Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Tatsachen, die die Anordnung eines Gutachtens rechtfertigen könnten, sahen die Regensburger Richter nicht.

Gegen diese Entscheidung zog die Fahrerlaubnisbehörde und Antragsgegnerin mit einer Beschwerde vor den BayVGH. Nach ihrer Auffassung war sich die Hausärztin der Fahruntüchtigkeit des Antragstellers derart sicher, dass diese zu Recht eine Notstandslage annahm. Diese Tatsache würde eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht rechtfertigen und die Behörde habe sich hierauf verlassen dürfen.

BayVGH: Keine Ermittlungen der Fahrerlaubnisbehörde ins Blaue hinein

Der 11. Senat des BayVGH teilte die Auffassung der Antragsgegnerin nicht. Demnach ist der Rückschluss auf die Nichteignung nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig und vor allem anlassbezogen und verhältnismäßig ist.

An diesen Maßstäben gemessen, habe das VG Regensburg zu Recht angenommen, dass die Mitteilung der Hausärztin keine hinreichend belastbare Tatsachengrundlage für die Anordnung des Gutachtens bot. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
  • Keine konkrete Erkrankung: Die Hausärztin habe keine keinerlei konkrete Erkrankungen, Diagnosen, Befunde oder zumindest Symptome benannt, die auf Erkrankungen im Sinne der Anlagen 4 oder 6 zur FeV hinweisen und Zweifel an der Fahreignung aufkommen lassen.
  • Keine Ermittlungen ins Blaue: Zudem setzt die Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht dem Münchner Richterspruch zufolge bestimmte Befunde oder Diagnosen voraus. Demgegenüber wären von der Hausärztin gemachten Angaben zu unspezifisch, um als hinreichende Tatsachen nach § 11 Absatz 2 FeV qualifiziert werden zu können. Aufgrund dieser Informationen könne die Fahrerlaubnisbehörde nur ins Blaue hinein ermitteln, welche Erkrankungen beim betroffenen Antragsteller überhaupt vorliegen könnten.
Im Wortlaut: § 11 Absatz 2 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) –  Eignung
(2) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen (...).

Offen ließ der BayVGH aber, ob die Ärztin sich durch ihr Schreiben an die Straßenverkehrsbehörde wegen Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar gemacht hat.  

Dennoch – Rat des Senats an den Betroffenen

Allerdings riet der BayVGH dem Betroffenen, sich freiwillig auf seine psycho-physische Leistungsfähigkeit und seine Sehkraft untersuchen zu lassen.  

Entnehmen Sie der Begründung des Beschlusses des BayVGH vom 09.10.2018 – 11 CS 18.1897 – abgedruckt in VRS 134, Heft 4:
  • Warum der BayVGH dem Betroffenen dennoch rät, sich freiwillig auf seine psycho-physische Leistungsfähigkeit und seine Sehkraft untersuchen zu lassen.
  • Detaillierte Hinweise zu den Kostenfolgen und zum Streitwert des Verfahrens.
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(ESV/bp)