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Automatisierte Kennzeichenkontrolle 
13.02.2019

Warum das BVerfG bei automatisierten KFZ-Kennzeichenkontrollen auf die Bremse tritt

ESV-Redaktion Recht
BVerfG: Erfassung von Verkehrsteilnehmern ohne gerechtfertigten Anlass ist rechtswidriger Eingriff in Freiheitsrechte (Foto: Tatjana Balzer/Fotolia.com)
Beim automatisierten Kennzeichen-Abgleich werden die Nummernschilder aller vorbeifahrenden Autos erfasst. Unumstritten ist dieser Abgleich jedoch nicht. Auch der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat bei dieser Art der Massenkontrolle jetzt auf die Bremse getreten.

So haben die obersten deutschen Verfassungshüter die automatisierten KFZ-Kennzeichenkontrollen für die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen in drei Parallelverfahren entschieden, dass die entsprechenden dortigen Regelungen teilweise gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen. In allen betroffenen Ländern gelten die angegriffenen Regelungen allerdings bis einschließlich 31.12.2019 weiter.

Der Ablauf der Kontrollen

Bei den Kontrollen erfasst ein Lesesystem automatisiert und verdeckt die Kennzeichen von vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen. Anschließend werden die erfassten Kennzeichen zumindest für kurze Zeit zusammen mit Angaben zu Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung gespeichert und mit Kennzeichen aus dem Fahndungsbestand abgeglichen. Hierzu wird eine eigene Abgleichdatei erstellt. Nach bayerischer Praxis enthält diese Datei nur Kennzeichen, die für den jeweiligen Kontrollzweck zusammengestellt werden.

Bleibt der Abgleich ohne Treffer, löscht das System automatisch den entsprechenden Datensatz.

Ist der Abgleich positiv, überprüft ein Polizeibeamter visuell am Bildschirm, ob das erfasste Kennzeichen mit einem Kennzeichen aus dem Fahndungsbestand übereinstimmt. Das Verfahren wird dann wie folgt fortgesetzt:
  • Unechter Treffer: Ohne Übereinstimmung löscht der Beamte den gesamten Vorgang.
  • Echter Treffer: Ergibt der Abgleich einen echten Treffer, werden die Daten gespeichert und es werden gegebenenfalls weitere polizeiliche Maßnahmen eingeleitet.

BVerfG: Anlasslose Erfassung beeinträchtigt die Freiheit

Der Erste Senat des BVerfG ließ sich bei seinen Entscheidungen im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:
  • Auch Abgleich zu Nichttreffern ist Kontrolle: Der Erste Senat des BVerfG meint, dass auch die Erfassung von Personendaten, deren Abgleich zu Nichttreffern führt, nicht allein technikbedingt ist. Danach ist der Abgleich ein notwendiger und gewollter Teil der Kontrolle und gibt dieser als Fahndungsmaßnahme erst ihren Sinn.
  • Ungehinderte Weiterfahrt nur unter Vorbehalt: Als unerheblich sah es der Senat an, dass den Betroffenen bei Nichttreffern keine Konsequenzen erwachsen. Dies ändere nichts daran, dass die Betroffenen überprüft würden, so der Senat weiter. Danach steht die ungehinderte Weiterfahrt des Kontrollierten unter dem Vorbehalt, dass gegen diesen keine Erkenntnisse vorliegen. Bereits solche Maßnahmen sieht der Senat als freiheitsbeeinträchtigend an.
  • Anlass erforderlich: Ein derartiger Eingriff in die Freiheitsrechte ist nur zum Schutz von anderen Rechtsgütern mit erheblichem Gewicht gerechtfertigt.
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Keine Gesetzgebungskompetenz für Grenzschutzaufgaben in Bayern

Zwar hat Bayern nach Senatsauffassung grundsätzlich die Gesetzgebungskompetenz für derartige Kennzeichenkontrollen bei der Unterstützung polizeilicher Kontrollstellen zur Gefahrenabwehr, so der Senat in seinem Verfahren 1 BvR 142/15.

Es sei aber kompetenzwidrig, dass die bayerischen Regelungen solche Kennzeichenkontrollen auch unmittelbar zum Grenzschutz erlauben. Insoweit verwies der Senat auf die Zuständigkeit des Grenzschutzes und damit des Bundes. Die weiteren Eckpunkte der Entscheidung: 
  • Die angegriffenen Vorschriften: Die angegriffenen landesrechtlichen Regelungen – die Art. 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, Art. 38 Abs. 3 BayPAG – gelten bis einschließlich 31.12.2019 weiter.
  • Urteil des BVerwG aufgehoben: Das BVerfG hat in dem Verfahren unter anderem das Urteil des BVerwG vom 22.10.2014 – AZ: 6 C 7.13 – aufgehoben.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Baden-Württemberg und Hessen verletzt

Die Regelungen in den Ländern Baden-Württemberg und Hessen genügen nicht in jeder Hinsicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, führt der Senat in den beiden weiteren Verfahren aus. Danach begrenzen beide Länder Kennzeichenkontrollen nicht umfassend auf den Schutz von Rechtsgütern von erheblichem Gewicht. Vielmehr sind die Kontrollen dort ohne ausreichend klare grenzbezogene Beschränkungen als Mittel der Schleierfahndung erlaubt. Insoweit sah der Senat auch diese Regelungen als verfassungswidrig an.
  • In Baden-Württemberg betraf die Entscheidung des BVerfG  – 1 BvR 3187/10 – den §§ 22a des Polizeigesetzes (PolG) des Landes.
  • In Hessen sind laut der Entscheidung des BVerfG – 1 BvR 2795/09 – § 14a des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie § 22 Abs. 1 Satz 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung betroffen. 
In beiden Verfahren hatten die Beschwerdeführer nicht den zunächst vorgesehenen fachgerichtlichen Rechtsschutz gesucht. Dennoch hat das BVerfG die vorherige Beschreitung des Rechtswegs mangels Zumutbarkeit als nicht erforderlich angesehen.

Quellen: PM des BVerfG vom 06.02.2019 zu folgenden Beschlüssen vom 18.12.2019: 

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(ESV/bp)