KG Berlin zur Beweiskraft von „Blitzerfotos“
Der Betroffene war bei zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit 96 km/h geblitzt worden. Anschließend erging ein Bußgeldbescheid gegen ihn. Diesen wollte er aber nicht gelten lassen und legte Einspruch beim AG Tiergarten ein mit dem Hauptargument: Seine Person sei auf dem ,,Blitzerfoto‘‘ nicht ausreichend erkennbar, da eine Kappe einen Teil der Stirnpartie verdeckte. Diesem Vorbringen folgten sowohl das AG Tiergarten als auch das Rechtsmittelgericht, das KG Berlin, nicht.
AG Tiergarten: Verdeckte Stirnpartie hindert Fahreridentifikation nicht
Die Ausgangsinstanz bejahte die Fahrereigenschaft unter Auswertung des Radarfotos. Dabei hindere die verdeckte Stirnpartie durch eine Kappe nicht die Annahme, dass der Betroffene den besagten PKW gefahren habe, so das Gericht. Aber es kam für den Betroffenen noch schlimmer: Das AG Tiergarten nahm entgegen des ursprünglichen Bußgeldbescheids eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung an.Der kostenlose Newsletter Recht – Hier geht es zur Anmeldung! |
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KG Berlin: Keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen
Das Kammergericht in Berlin (KG) bestätigte die Auffassung der Ausgangsinstanz und wies das Rechtsmittel gegen dessen Urteil zurück. Dabei arbeitete die Beschwerdeinstanz folgende Prinzipien heraus:- Verdeckte Stirnpartie führt nicht generell zur Unverwertbarkeit des Fotos: Zwar sind dem Tatrichter bei der Identifizierung eines Betroffenen Grenzen gesetzt, wie z.B. ein unscharfes Bild oder die Abbildung nur eines geringen Teils des Gesichts. Aber auch bei verdeckter Stirnpartie kann das ,,Blitzerfoto‘‘ unter Beachtung folgender Kriterien rechtsfehlerfrei als Beweis verwertet werden: Zunächst müssen die Schärfe des Bildes und weitere Identifikationsmerkmale, wie Gesichtszüge, Gesichtsform, Ausformung und Verlauf der Augenbrauen, Erscheinungsbild der Mund- und Nasenpartie berücksichtigt werden. Im nächsten Schritt ist dann das Ergebnis mit dem tatsächlichen Erscheinungsbild des Betroffenen in der Hauptverhandlung abzugleichen. Diese Prüfkriterien hatte das Ausgangsgericht eingehalten. Es hatte nachvollziehbar dargelegt, warum es die abgebildete Person für den Fahrer hielt, so das KG.
- Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung ist Indiz für Vorsatz: Ab Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 Prozent könne regelmäßig Vorsatz angenommen werden, meinte die Beschwerdeinstanz weiter. Der Fahrer hatte diesen Grenzwert sogar um 60 Prozent überschritten.
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Keine besondere Umstände
Die Indizwirkung kann zwar aufgehoben sein, wenn dies besondere Umstände des Einzelfalles rechtfertigen, so das Gericht. Konkrete Umstände, wie das Fehlen von ausreichend Abstand zwischen dem Verkehrszeichen und der Messstation oder fehlende Erkennbarkeit des aufgestellten Verkehrszeichens, lägen hier jedoch nicht vor. So war das betreffende Verkehrszeichen nach den Feststellungen des Ausgangsgerichts auf beiden Seiten der Straße ausreichend sichtbar aufgestellt. Auch der Abstand von ca. 600 m war dem KG zufolge angemessen.
Quelle: Beschluss des LG Berlin vom 18.06.2019 – AZ: 3 Ws (B) 186/19, 122 Ss 77/19
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(ESV/bp)