• Schreiben Sie uns!
  • Druckansicht
Mord oder fahrlässige Tötung 
18.06.2020

BGH: Schuldspruch wegen Mordes gegen Berliner Ku'dammraser nur bei einem der Angeklagten bestätigt

ESV-Redaktion Recht
Der Bundesgerichtshof bestätigt den Schuldspruch des LG Berlin wegen Mordes nur gegen einen der beiden Berliner Ku'dammraser (Foto: Shutter81/Fotolia.com)
Der Raserunfall auf dem Berliner Ku’damm, bei dem ein unbeteiligter Autofahrer starb, landete nun schon zum zweiten Mal beim BGH. Wieder ging es darum, ob die beiden Fahrer, die mit bis zu 170 km/h bei Rot über eine Kreuzung fuhren, einen gemeinsamen Mord begangen haben. Nach der aktuellen BGH-Entscheidung wird sich das LG Berlin nun erneut mit einem Teil der Sache befassen müssen.


In dem Fall fuhren zwei junge Autoraser in der Nähe der Gedächtniskirche mit bis zu 170 km/h bei einer roten Ampel über eine Kreuzung. Einer von ihnen rammte dabei das Auto eines unbeteiligten 69 Jahre alten Verkehrsteilnehmers, der dabei starb.   

Die 35. Große Strafkammer des LG Berlin hatte beide Raser im Februar 2017 wegen Mordes verurteilt - und zwar auch den Fahrer, der nicht mit dem Auto des unbeteiligten Dritten zusammengestoßen war. Nach Auffassung der Kammer hatten beide den Tod des Dritten zumindest billigend in Kauf genommen. Dies war das erste Mordurteil gegen Autoraser in Deutschland. Die Verteidigung sah in dem Verhalten der Angeklagten allerdings keinen Mord. Vielmehr gingen sie von einer fahrlässigen Tötung aus. 

Der 4. Strafsenat des BGH hob den Berliner Richterspruch ein Jahr später wieder auf. Der Senat meint, dass das LG den Eventualvorsatz der Täter nicht ausreichend belegt habe. Danach haben die Angeklagten die konkrete Gefahr zu spät erkannt. Vollkommen ausschließen wollten die Karlsruher Richter den Eventualvorsatz der Angeklagten aber nicht.

Nun musste die 32. Große Strafkammer des LG Berlin erneut über den Fall entscheiden. Die Kammer bestätigte im Wesentlichen die Auffassung ihrer Berliner Kollegen von der 35. Kammer und verhängte im März 2019 gegen beide Fahrer erneut eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes:

  • Auch die 32. Kammer hatte bei dem Fahrer, der mit dem Wagen des Dritten kollidierte, Vorsatz angenommen und die Mordmerkmale Heimtücke, niedrige Beweggründe und ein gemeingefährliches Mittel bejaht.
  • Den Mitangeklagten hat es wegen eines mittäterschaftlich begangenen Mordes verurteilt. Auch für diesen Fahrer ist die Kammer von einem bedingten Tötungsvorsatz und dem Vorliegen von drei Mordmerkmalen ausgegangen.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


BGH: Schuldspruch wegen Mordes nur bei unmittelbar beteiligtem Unfallfahrer 

Der 4. Strafsenat des BGH bestätigte den Schuldspruch der 32. Großen Kammer des LG Berlin nur für den Fahrer, der unmittelbar an dem Unfall beteiligt war. Die wesentlichen Überlegungen des Senats: 

  • Angeklagter sieht Unfallhergang als möglich an: Das Berliner Gericht hat tragfähig begründet, dass der Angeklagte den Unfallhergang als möglich ansah und die Gefahr für sich selbst als gering einschätzte. 
  • Folgen seines Verhaltens sind ihm gleichgültig: Dennoch hatte der Angeklagte erkannt, dass er das Rennen nur bei größtem Risiko für Dritte gewinnen konnte und dabei alle Bedenken zurückgestellt. Die Folgen seines bewusst hochriskanten Fahrverhaltens waren ihm somit gleichgültig.
     
  • LG Berlin zwei Mordmerkmale zu Recht bejaht: Zwar sah der BGH-Senat bei der Herleitung des Mordmerkmals „Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln“ durch das LG noch Rechtsfehler. Dies wirken sich aber nicht aus, weil das Berliner Gericht die Mordmerkmale „Heimtücke“ sowie „Tötung aus niedrigen Beweggründen“ ohne Beanstandungen bejaht hat.   
Damit ist das Berliner Urteil insoweit rechtskräftig. 

Aber – keine gemeinschaftliche Tötung

Nicht bestätigt hat der BGH allerdings die Verurteilung des Mitangeklagten. Dieser war zwar Teilnehmer an dem illegalen Rennen. Er kollidierte aber nicht mit dem Fahrzeug des unbeteiligten Dritten. 

Dem 4. Strafsenat des BGH zufolge ist die mittäterschaftliche Zurechnung der Tat des Unfallverursachers – die das LG Berlin vornahm – nicht ausreichend belegt. Zwar wollten beide Fahrer durchaus ein illegales Rennen veranstalten. Dabei hatten sie aber nicht die Tötung eines Dritten im Blick. Auch durch das Zufahren auf die Kreuzung haben sie ihren ursprünglichen Tatplan nicht auf die gemeinsame Tötung eines anderen Menschen erweitert.  

Der Senat hob das Berliner Urteil insoweit auf und verwies die Sache wieder an das LG Berlin zurück. In Bezug auf den diesen Fahrer muss nun das LG und zwar, die 29. Große Strafkammer,  erneut über die Sache verhandeln. 

Quelle: PM des BGH zur Entscheidung vom 18.6.2020 – 4 StR 482/19  dd

Weitere Entscheidungen zum Fall

Verurteilung wegen Mordes verfassungskonform 20.12.2022
Autoraser vom Ku’damm scheitert mit Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe

Einer der Ku’damm-Raser, der gegen seine Verurteilung wegen Mor­des durch den BGH und das LG Berlin vor das BVerfG zog, blieb nun auch vor den Verfassungshütern in Karlsruhe erfolglos. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG nahm seine Beschwerde nicht zur Entscheidung an. mehr …


 


VRSdigital

Die Verkehrsrechts-Sammlung (VRS) ist jeden Monat Ihre direkteste Route zu sorgfältig ausgewählter verkehrsrechtlicher Rechtsprechung und relevanten Fach- und Branchennews.

Recherchieren Sie systematisch in über 22.000 wichtigen Entscheidungen seit 1951. Lesen Sie aktuelle Meldungen rund um das Verkehrsrecht. Ergänzend haben Sie Zugriff auf zentrale Gesetze. Neben allen verkehrsrechtlichen Standardbereichen finden Sie auch relevante Nachbarfelder, wie etwa:

  • VerkehrshaftpflichtKFZ-Vertragsrecht und KFZ-Versicherungsrecht
  • Verkehrsstrafrecht und Recht der Ordnungswidrigkeiten
  • Straf- und Zivilprozessrecht sowie Verkehrsverwaltungsrecht
  • Güterkraftverkehrsrecht sowie Speditions- und Frachtrecht
  • Luftverkehrs- und Schifffahrtsrecht
  • Eisenbahnrecht und Planfeststellungsrecht

Lassen Sie sich überzeugen und testen Sie die Datenbank 4 Wochen kostenlos: www.VRSdigital.de

Verlagsprogramm Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht

Auch interessant  04.05.2020
BGH: Urteil des LG Berlin in Kreuzberger Raserfall aufgehoben

Ist es Mord oder doch nur fahrlässige Tötung, wenn andere Verkehrsteilnehmer durch Autoraser ums Leben kommen? Noch immer beschäftigt diese Frage die Gerichte und vor allem den BGH, der kürzlich erneut ein Berliner „Raserurteil“ aufgehoben hat. HIebrei ging es um einen Unfall in Kreuzberg  mehr …

(ESV/bp)