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VW Abgasskandal 
09.12.2020

BGH zum Schadensersatz beim Kauf eines Audi nach Bekanntwerden des Dieselskandals

ESV-Redaktion Recht
Korrekte Abgaswerte zeigte der VW-Motor vom Typ EA189 nur auf dem Abgas-Prüfstand (Foto: pitb_1 / stock.adobe.com)
Im Mai 2020 entschied der BGH, dass VW die Käufer von Diesel-Fahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware arglistig getäuscht hat. Weitere BGH-Entscheidungen stellten klar, dass sich der Käufer bei seinen Schadenersatzansprüchen die Nutzung des betreffenden Fahrzeugs anrechnen lassen muss. In dem aktuellen BGH-Verfahren ging es um Kauf eines Audi nach Bekanntwerden des Abgasskandals.


In dem Streitfall erwarb der Kläger im Mai 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten Audi Q5 2.0 TDI. Das Fahrzeug kostete 32.600 Euro und hatte einen Dieselmotor des Typs EA189. Herstellerin dieses Motors war die beklagte VW-AG.
 

VW informiert Öffentlichkeit am 22.9.2015 über Dieselmanipulation

Am 22.09.2015 hatte die Beklagte die Öffentlichkeit im Rahmen einer Ad-hoc-Mitteilung über Unregelmäßigkeiten der Software bei Dieselmotoren des Typs EA189 informiert. Dabei erklärte VW, dass dieser Motor auch in anderen Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendet wird. Darüber hinaus teilte die Beklagte mit, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen realem Fahrbetrieb und den Prüfstandswerten zu beseitigen. Zudem stehe sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Kontakt.

KBA: Abschalteinrichtung unzulässig

Das KBA ordnete die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung ein und verpflichtete VW dazu, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge durch geeignete Maßnahmen wiederherzustellen. Im Januar 2017 spielte die Motorherstellerin bei dem Fahrzeug des Klägers dann ein Softwareupdate auf.

Kläger: Verhalten von VW bleibt sittenwidrig

Dennoch verlangte der Kläger von VW den Ersatz des Kaufpreises für das Fahrzeug unter Abzug der gezogenen Nutzungen –  Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Er meint, von VW vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden zu sein. Vor dem LG Aurich hatte die Klage keinen Erfolg. Die Berufungsinstanz, das OLG Oldenburg, hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Gegen das Berufungsurteil zog VW mit einer Revision vor den BGH.

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BGH: Vorwurf der Sittenwidrigkeit durch Verhaltensänderung nicht mehr gerechtfertigt

Mit Erfolg: Der VI. Zivilsenat des BGH gab der Revision der Beklagten statt und stellte das klageabweisende Urteil des LG Aurich wieder her. Nach Auffassung des Senats ist ein Verhalten als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB im Rahmen einer Gesamtschau zu bewerten. Hierbei sind alle Handlungen oder Unterlassungen des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens zu bewerten. Dies gilt vor allem dann, wenn die schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten in der Zwischenzeit erkennbar geändert hat. Die weitere Begründung des Senats:
 
  • Ad-hoc-Mitteilung von VW läutet Strategiewechsel ein: Dem Senat zufolge hat die Verhaltensänderung der Beklagten – die das Berufungsgericht festgestellt hat – wesentliche Elemente des bisherigen Unwertgehalts so relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit in Bezug auf das Gesamtverhalten der Beklagten nicht mehr gerechtfertigt ist, so der Senat. So lässt die Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.9.2015 erkennen, dass diese ihre strategische unternehmerische Entscheidung, das KBA und die Käufer von Volkswagen und von anderen Konzernmarken zu täuschen, aufgegeben hat. Vielmehr hat VW diese ursprüngliche Strategie durch die Strategie ersetzt, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu entwickeln.
  • Mitteilung beschränkt sich nicht auf Kernmarke: Zudem hat VW seine Verhaltensänderung nicht auf seine Kernmarke beschränkt, sondern in seiner Ad-hoc-Meldung darauf hingewiesen, dass sich die besagte Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des VW-Konzerns befindet. Damit war das Verhalten der Beklagten nicht mehr darauf angelegt, das KBA und arglose Erwerber zu täuschen.
Sofern der Kläger im Rahmen des Verkaufsgesprächs eine unzutreffende Auskunft im Hinblick auf den VW-Motor EA189 erhalten hat, könne dies zwar möglicherweise eigenständige Haftung des Autohauses begründen. Diese wäre aber nicht mehr der beklagten VW-AG zuzurechnen, so der Senat abschließend.
 
Quelle: PM des BGH vom 8.12.2020 zum Urteil vom selben Tag – VI ZR 244/20

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(ESV/bp)