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Garantiehaftung des Autovermieters 
25.01.2022

OLG Frankfurt a. M. zur Haftung auf Schmerzensgeld nach Unfall mit nicht verkehrssicherem Mietwagen

ESV-Redaktion Recht
OLG Frankfurt a. M.: Die Überlassung eines verkehrssicheren Fahrzeugs gehört zu den Hauptleistungspflichten eines Autovermieters (Foto: Jürgen Fälchle / stock.adobe.vom)
Kann die verschuldensunabhängige Haftung des Mietwagenanbieters für anfängliche Mängel der Mietsache auch für die Verletzung von Kardinalpflichten per AGB ausgeschlossen werden? Diese Frage hat das OLG Frankfurt a. M. vor Kurzem beschäftigt.


In dem Streitfall mietete die gewerbliche Klägerin bei dem beklagten Mietwagenunternehmen im Herbst 2010 ein Auto, um damit von Frankfurt nach Berlin und zurück zu fahren. Nach Ziffer 8 der Mietvertragsbedingungen sollte die Vermieterin für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen haften.
 
Auf der Rückfahrt geriet das gemietete Fahrzeug plötzlich ins Schleudern. Zuvor wollte die Klägerin die offene Seitenscheibe wieder hochkurbeln und nahm dabei die ihre linke Hand vom Steuer. Ein Gegenlenken war der Klägerin nicht möglich, so dass das Fahrzeug weiter schleuderte, sich aufschaukelte, nach links kippte und links über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche rutsche. Beim Umkippen des Fahrzeugs, geriet der linke Arm der Klägerin durch das Fenster und wurde abgetrennt. Der Arm konnte nicht wieder replantiert werden und die Klägerin zog sich weitere Verletzungen zu.
 
Anschließend verlangte die Klägerin von der Beklagten neben einem Schmerzensgeld von 120.000 Euro und einer Schmerzensgeldrente die Feststellung, dass die Beklagte für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls einzustehen hat. Vor der Ausgangsinstanz – dem LG Frankfurt a. M. – blieb ihre Klage aber erfolglos.

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OLG Frankfurt a. M: Haftungsausschluss bei Verletzung von Kardinalpflicht unwirksam

Anders dagegen verlief die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin vor dem OLG Frankfurt: Demnach kann die Klägerin Schadensersatz verlangen, weil das Mietfahrzeug mangelhaft war. Das OLG hat der Klägerin unter Berücksichtigung der „prägenden Einzelfallumstände“ ein Schmerzensgeld von 90.000 Euro und eine Schmerzensgeldrente von 160,00 Euro zugesprochen. Die tragenden Gründe der Frankfurter OLG-Richter:
 
  • Mangel lag von Anfang an vor: Schon bei der Produktion des Fahrzeugs wurde im Kardangelenk der unteren Lenksäule ein Lager nicht richtig verbaut. Dies führte dazu, dass sich das Kreuzgelenk während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet hatte und dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen war. Insoweit berief sich das OLG auf die Ausführungen eines Sachverständigen. Demnach war das Fahrzeug von Anfang an grundsätzlich nicht verkehrssicher.  
  • Kein Haftungsausschluss bei Verletzungen von Kardinalpflicht: Dass die Beklagte diesen Mangel nicht verschuldet hat, sah die Berufungsinstanz als unerheblich an. Demnach kann sich diese nicht auf den Haftungsausschluss für unverschuldete Schäden berufen. Vielmehr haftet der Vermieter nach § 536 a Absatz 1 BGB auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, wenn diese schon bei Vertragsschluss vorhanden waren. Zwar kann diese Art der Haftung grundsätzlich per AGB ausgeschlossen werden. Dies gilt dem OLG zufolge aber nicht, wenn der Verwender der AGB eine Kardinalpflicht verletzt.
  • Sicherheit von Bremsen und Lenkung stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Mietzahlungspflicht: Hierzu gehört auch die Pflicht, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten. Dabei müssen vor allem Lenkung und Bremsen funktionsfähig sein. Nach den weiteren Ausführungen des OLG würde der Mieter unangemessen benachteiligt, wenn der Haftungsausschluss auch solche Schäden erfassen würde, die aus der Verletzung von Hauptleistungspflichten resultieren. Gemeint sind solche Pflichten, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen und den typischen Vertragszweck prägen. Auf den Streitfall übertragen, muss sich der Mieter darauf verlassen können, dass das ihm überlassene Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln ist, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen können.
Quelle: PM des OLG Frankfurt vom 24.01.2022 zum Urteil vom 30.12.2021 – 2 U 28/21


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(ESV/bp)