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Immissionsschutz und Zivilrecht 
17.06.2022

BGH: Kein Anspruch auf Unterlassung bei Verstoß gegen Durchfahrtsverbot für LKWs

ESV-Redaktion Recht
BGH: Ein Durchfahrtsverbot ist keine Schutznorm im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB für einzelne Anwohner (Foto: Sigtrix und T. Michel / stock.adobe.com)
Können Anwohner, deren Grundstücke in einer Umwelt- und Lkw-Durchfahrtsverbotszone liegen, Unterlassungsansprüche gegen eine Spedition geltend machen, deren Fahrzeuge mehrmals täglich gegen das Durchfahrtsverbot verstoßen? Mit dieser Frage hat sich der BGH aktuell befasst.


In dem Streitfall hatten Eigentümer, deren Grundstücke innerhalb der Stuttgarter Umwelt- und Lkw-Durchfahrtsverbotszone liegen oder sich in unmittelbarer Nähe befinden, eine Spedition verklagt. Nach dem Vortrag der Kläger verstößt die beklagte Spedition gegen das Durchfahrtsverbot, weil deren LKWs mehrmals durch die Schutzzone fahren. Daher verlangen sie von der Beklagten Unterlassung und berufen sich auf die Gesundheitsgefährdungen, die von den Feinstaub- und Stickoxidbelastungen aufgrund der LKW-Durchfahrten ausgehen. Weil ihre Klage vor den Instanzgerichten keinen Erfolg hatte, wendeten sie sich mit einer Revision an den BGH.

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BGH: § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB

Auch die Revision der Kläger blieb erfolglos. Nach Auffassung des VI. Zivilsenats des BGH haben die Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte. Die wesentlichen Erwägungen der Kammer:
 
  • Keine Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB: Nach Auffassung der Kammer hat die Vorinstanz zutreffend angenommen, dass sich aus der benannten Normenkette keine Unterlassungsansprüche unter dem Gesichtspunkt einer Gesundheitsverletzung herleiten lassen.
  • Keine Beeinträchtigung der Benutzung der klägerischen Grundstücke nach § 906 BGB: Gleiches gilt für die Annahme der Vorinstanz, nach der der Beklagten keine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung der klägerischen Grundstücke im Sinne des § 906 BGB zuzurechnen ist.
  • Durchfahrtsverbot kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB:  Im Zentrum der weiteren Ausführungen des Senats standen Unterlassungsansprüche unter dem Aspekt der Verletzung von Schutzgesetzen. Auch solche Ansprüche lehnte der Senat, der Verstöße gegen das Lkw-Durchfahrtsverbot unterstellte, ab. Dem Senat zufolge ist das Durchfahrtsverbot – das auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG in Verbindung mit dem Luftreinehalteplan der Landeshauptstadt Stuttgart beruht – kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
  • Schutznorm muss einzelne Personen oder Personenkreise schützen: Nach Auffassung des Senats setzt ein Schutzgesetzcharakter nämlich voraus, dass die betreffende Norm einzelne Personen oder Personenkreise schützen soll. Der Schutz muss also im konkreten Aufgabenbereich der Norm liegen.
  • Kläger nur als Teil der Allgemeinheit begünstigt: In dem zu entscheidenden Fall wurde das Durchfahrtsverbot aber für das gesamte Stadtgebiet mit dem Ziel angeordnet, die allgemeine Luftqualität zu verbessern und dem Überschreiten der Immissionsgrenzwerte entgegenzuwirken. Damit sind die Kläger nur als Teil der Allgemeinheit begünstigt. Dies ergibt sich dem Senat zufolge auch aus der Größe der Verbotszone. Demnach ist nicht anzunehmen, dass die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte innerhalb dieser Zone für jeden Anlieger die unmittelbare Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung begründen wird.
Auch über diese Erwägungen hinaus erkannten die Karlsruher Richter nicht, dass § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG in Verbindung mit der betreffenden Planmaßnahme einzelnen Bürgern Ansprüche auf einen Normvollzug gegen seine Mitbürger begründen will.
 
Quelle: PM des BGH vom 14.06.2022 zum Urteil vom selben Tag – VI ZR 110/21


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