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Unfall beim Überholvorgang 
23.10.2023

LG Lübeck zur Haftung nach Unfall beim Überholen in der Kolonne

ESV-Redaktion Recht
LG Lübeck: Auch wenn das Überholen einer Kolonne grundsätzlich nicht verboten ist, muss ein „Idealfahrer“ jegliche Selbst- und Fremdgefährdung vermeiden – ein Symbolbild (Foto: hykoe / stock.adobe.com)
Das Überholen von Kolonnen auf Landstraßen gehört wohl zu den gefährlichsten Manövern im Alltag des Straßenverkehrs. Welche Sorgfaltsmaßstäbe dabei gelten, zeigt ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des LG Lübeck.


In dem Streitfall bildete sich auf einer Landstraße im Kreis Stormarn hinter einem Traktor eine Kolonne. Der Kläger fuhr mit seinem Fahrzeug am Ende dieser Kolonne hinter zwei weiteren Autos.

Am Ende eines Überholverbots setzte der Kläger dann zum Überholen auf der linken Seite der Fahrbahn an. Als er das Fahrzeug erreichte, das unmittelbar hinter dem Traktor fuhr, scherte auch dessen Fahrerin – die Beklagte zu 2) – nach links aus, um den Traktor zu überholen. Zwar wollte der Kläger ausweichen, dabei schrammte er aber am Traktor vorbei. Hierbei entstand ein erheblicher Schaden. Der Fall landete schließlich vor dem LG Lübeck.

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LG Lübeck: Maßstab für eine Enthaftung ist das Verhalten eines Idealfahrers

Im Ergebnis konnten sich weder der Kläger noch die Beklagte zu 2) von ihrer Haftung entlasten. So muss diese im Ergebnis 80 % des gesamten Schadens tragen. Demgegenüber liegt die Haftungsquote des Klägers bei 20 %. Die wesentlichen Überlegungen des Gerichts:
 
Zur Haftung der ausgescherten Fahrerin
 
Allein die Tatsache, dass es zu einem Unfall kam, zeigte, dass die Beklagte zu 2) im entscheidenden Augenblick nicht gut genug aufgepasst hatte. Damit konnte sie nicht beweisen, dass sie die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen hatte. Ihre Haftungsquote für den Gesamtschaden setzte das LG Lübeck mit 80 % an.

Zur Haftung des Klägers
 
  • Zwar keine unklare Verkehrslage: Beim Kläger ging das Gericht zunächst davon aus, dass er die Kolonne vom Grundsatz her zwar überholen durfte, weil es keine unklare Verkehrslage sah. Eine solche liegt, so das Gericht, nämlich nur vor, wenn das Verhalten des Vorausfahrenden aus Sicht des nachfolgenden Fahrers nicht eingeschätzt werden kann. Vorliegend war jedoch nichts unklar, weil keine Umstände festgestellt werden konnten, die gegen ein Überholen sprachen, meint das LG hierzu.
  • Aber – kein Verhalten eines Idealfahrers: Dennoch haftet der Kläger mit einer Quote von 20 %. Auch für ihn war der Unfall dem LG zufolge nicht vollkommen unvermeidbar. Auch wenn das Überholen einer Kolonne nicht generell verboten ist, hätte ein „Idealfahrer“ in dem Streitfall aufgrund der daraus resultierenden Selbst- und Fremdgefährdung nicht überholt. Damit entfällt die generelle Haftung des Autofahrers aus der Betriebsgefahr des Autos nicht völlig. Insoweit verwies das Gericht auch auf ein Urteil des OLG Celle vom 08.06.2022 (14 U 118/21).
Quelle: PM des LG Lübeck vom 19.10.2023 zum Urteil vom 28.07.2023 – 9 O 27/21


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(ESV/bp)