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Amtshaftung 
09.08.2024

Etappensieg des Betroffenen vor BGH bei Schadensersatz wegen unrechtmäßiger Entziehung der Fahrerlaubnis

ESV-Redaktion Recht


Die unrechtmäßige Entziehung der Fahrerlaubnis kann Amtshaftungsansprüche auslösen (Foto: blende11.photo / stock.adobe.com)
Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann für den Betroffenen weitreichende wirtschaftliche Folgen haben. War der Entzug rechtswidrig, steht zum Ausgleich Schadens jedoch ein Amtshaftungsanspruch im Raum. Was der Anspruchsteller hierfür in einem Gerichtsprozess vortragen muss, ist jedoch umstritten, wie ein kürzlich veröffentlichter Beschluss des BGH zeigt.


In dem Streitfall hatte das Landratsamt S dem Kläger im August 2019 unter anderem die Fahrerlaubnis für sein Motorrad entzogen. Am 14.12.2020 hob das VG München den Bescheid der Führerscheinbehörde auf, im Februar 2021 erhielt der Kläger seine Fahrerlaubnis zurück.
 
Bis zu dem Zeitpunkt, als er sein Bike wieder fahren durfte, benutze er für seinen Weg zur Arbeit öffentliche  Verkehrsmittel. Nach seinem Vortrag bedeutete das einen Zeitaufwand von 1,5 Stunden – anstatt vorher einer halbeb Stunde mit seinem Motorrad.
 
Um die Zeitdifferenz ggf. zu beweisen, legte er Screenshots eines Routenplaners vor. Zudem beantragte er zu dieser Frage die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
 
Seinen weiteren Darlegungen zufolge musste er aufgrund der längeren Anfahrt seine Arbeitszeit von 40 auf 28 Stunden reduzieren. Der Grund: Er verlässt in der Regel morgens um 6.00 Uhr sein Haus und ist erst um 22.00 Uhr wieder zurück. Daher hat er keinerlei Freizeit mehr. Dies ist in den Augen des Klägers unzumutbar.
 
Als Schadensersatz setze er die Differenz seines Gehalts aufgrund der geringeren Arbeitszeit an, die insgesamt etwa 32.000 EUR ausmacht. Die reduzierte Arbeitszeit behielt der Kläger bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Mitte 2022 bei.
 
Seine Schadensersatzklage blieb in den ersten beiden Instanzen – vor dem LG München II und dem OLG München als Berufungsinstanz – erfolglos. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, das seinen obigen Beweisantrag abgelehnt hatte und auch die Revision nicht zuließ, zog er dann mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vor den BGH.

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Etappensieg vor dem BGH


Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte vor dem III. Zivilsenat des BGH zum Teil Erfolg. Der Senat hob den Beschluss der Berufungsinstanz auf  und verwies die Sache dorthin zurück. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
 
  • Verletzung rechtlichen Gehörs: Dem Senat zufolge hat die Berufungsinstanz den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Demnach hätte sie den Beweisantrag des Klägers, mit dem Inhalt, ein Sachverständigengutachten einzuholen, nicht ablehnen dürfen.
  • Vortrag des Klägers ausreichend: So war schon der Vortrag des Klägers, nach dem sich die Zeit für den Arbeitsweg bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln verdreifachen würde, hinreichend. Diese Darlegung, so der Senat weiter, reicht aus, um in die Beweisaufnahme einzutreten und einen ortskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der die örtlichen Verhältnisse im Berufsverkehr kennt. Darüber hinaus hatte der Kläger seinen Vortrag in der Berufungsbegründung noch dahingehend ergänzt, dass sich die Fahrzeit von etwa 30 Minuten mit einem Motorrad selbst bei einer vollständigen Sperrung der kürzesten Strecke nur um neun Minuten verlängert.

  • Umstände in Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend gewürdigt: Die dargelegten Umstände hat der Kläger in seiner Nichtzulassungsbeschwerde auch zutreffend herausgearbeitet. Er hat insbesondere zurecht betont, dass weitere Angaben für seine Behauptung, nach der die Fahrzeit mit dem Motorrad deutlich kürzer wäre als mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht notwendig waren und dass das Berufungsgericht durch die Ablehnung des Beweisantrags seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat.
  • Verstoß gegen rechtliches Gehör entscheidungserheblich: Weil der Verstoß gegen  Art. 103 Abs. 1 GG entscheidungserheblich war, hat der Senat die Berufungsentscheidung in Teilen aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das OLG München muss die Sache nun unter Einholung eines Sachverständigengutachtens neu verhandeln. Auch wenn damit der  Entschädigungsanspruch noch nicht feststeht, kann die BGH-Entscheidung als Etappensieg für den Kläger angesehen werden.

Quelle: Beschluss des BGH vom 25.04.2024 – III ZR 54/23


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