• Schreiben Sie uns!
  • Druckansicht
Verkehrsrecht 
30.08.2024

VG Freiburg: „Freiwillig-Tempo 30“-Schilder auf eigenen Grundstücken müssen entfernt werden

ESV-Redaktion Recht
Das VG Freiburg nimmt bei den streitigen Schildern eine Verwechslungsgefahr mit ähnlichen amtlichen Verkehrszeichen an (Foto: horst jürgen schunk / stock.adobe,com - ein Symbolbild)
Dürfen Eigentümer auf ihren Grundstücken, die an öffentlichen Straßen liegen, private Schilder aufstellen, die die Autofahrer dazu veranlassen sollen, freiwillig nur mit Tempo 30 zu fahren? Hiermit hat sich das VG Freiburg in mehreren Eilverfahren befasst.


In den Streitfällen hatten Anwohner auf ihren innerörtlich gelegenen Grundstücken auf der Halbinsel Höri im Landkreis Konstanz Schilder mit dem Schriftzug „Freiwillig-Tempo 30“ aufgestellt. Die Schilder zeigten unter anderem rote bzw. grüne Kreise auf weißen Grund sowie die Zahl 30 innerhalb der Kreise. Oberhalb der Kreise fand sich der Schriftzug „Freiwillig“ und unterhalb waren jeweils einige rennende Kinder abgebildet.

Mit seinen Bescheiden vom 26.04.2024 ordnete das LRA Konstanz gegenüber den jeweiligen Anwohnern unter sofortiger Vollziehung die Entfernung der Schilder mit einer Zwangsgeldandrohung in Höhe von je 800 EUR an. Die Widersprüche der betroffenen Anwohner wies das Regierungspräsidium Freiburg zurück. Hiergegen wendeten sich die Betroffenen mit einer Klage an das VG Freiburg, verbunden entsprechenden Eilanträgen.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.

 

VG Freiburg bestätigt Entscheidung des LRA


Die Eilanträge wies das VG Freiburg zurück. Die wesentlichen Erwägungen des VG:


Verwechslung mit amtlichen Verkehrszeichen möglich

Die Aufstellung der Schilder verstößt voraussichtlich gegen § 33 Absatz 2 StVO. So könnten diese mit den amtlichen Vorschriftszeichen

  • 274-30 --> zulässige Höchstgeschwindigkeit 30 km/h und 
  • 274.1 ---> Tempo 30-Zone)
verwechselt werden.

Empfängerhorizont eines flüchtigen Betrachters


Anschließend beschäftige sich das Freiburger Gericht mit der Frage, auf welchen Empfängerhorizont abzustellen ist und kam dabie zu folgenden Ergebissen:

  • Unsicherheit über amtlichen Charakter: Entscheidend ist dem VG zufolge das Gesamtbild des jeweiligen Schildes nach dem Empfängerhorizont eines flüchtigen Betrachters. Danach wäre voraussichtlich eine Verwechslungsgefahr anzunehmen, weil die Verkehrsteilnehmer sich nicht sicher sein können, ob die betreffenden Schilder amtlichen Charakter haben. Dies schließt das VG aus der Größe und Form der Schilder, die mit der Abbildung der fünf rennenden Kindern sowie die Aufschrift „Freiwillig“ nach einer gebotenen Gesamtschau nicht sofort zum eindeutigen Schluss auf ein privates Wunsch-/Fantasiebild führen.
  • Ähnlichkeit mit schwarzen Sinnbildern der StVO: Die Abbildungen der Kinder ähneln auch den schwarzen Sinnbildern, die die StVO vorsieht und die auch Aufschriften zulässt. Demgegenüber ist es unerheblich, dass das Bild der Kinder und der Schriftzug „Freiwillig“ nicht schwarz umrandet sind, wie es die StVO vorschreibt, denn diese Unterschiede erkennt ein flüchtiger Betrachter nicht zwingend auf den ersten Blick.
  • Größe der Schilder: Auch die Größe der Schilder weicht nicht offensichtlich von der Größe vergleichbarer amtlicher Verkehrszeichen ab, so das VG weiter. 
  • Besondere Verwechslungsgefahr bei fremdsprachigen Verkehrsteilnehmern: Vor allem bei ausschließlich fremdsprachigen Verkehrsteilnehmern sieht das VG eine noch höhere Verwechslungsgefahr. Diese Verkehrsteilnehmer würden bei flüchtigen Blicken nur die Hinweise auf die Geschwindigkeitsbeschränkung verstehen, nicht aber die Überschrift „Freiwillig“ beachten. Dem Gericht zufolge müssen amtliche Verkehrszeichen aber auch international verständlich sein.


Fahrassistenz-Systeme getäuscht


Zudem hätten die Fahrerassistenz-Systeme der Dienstwagen des LRA und des Regierungspräsidiums beim Vorbeifahren an den Schildern eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h angezeigt, die in Wahrheit nicht existiert.



Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Verkehrs


Weiterhin geht das VG davon aus, dass die Verwechslungsgefahr negative Folgen für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs haben kann – vor allem, weil manche Verkehrsteilnehmer aufgrund der Schilder nur 30 km/h fahren anstatt der an sich zulässigen 50 km/h.


Keine isolierte private Einzelmaßnahmen


Zu guter Letzt sieht das VG die Gefahr, dass die Zulassung entsprechender Schilder die Aufstellung weiterer gleicher Schilder zur Folge hat. Demnach ist die Aufstellung keine isolierte private Einzelmaßnahme. Vielmehr gehören diese Vorgänge zu einer breiten Initiative, die unter anderem auch von der Deutschen Umwelthilfe unterstützt wird. 

Die Beschlüsse sind laut Pressemeldung des VG Freiburg – Stand 13.08.2024 – nicht rechtskräftig.

Quelle: PM des VG Freiburg vom 13.08.2024 zu den Beschlüssen vom 08.08.2024 in den Verfahren  6 K 2226/24, 6 K 2227/24 und 6 K 2228/24.


VRSdigital


Die Verkehrsrechts-Sammlung (VRS) ist jeden Monat Ihre direkteste Route zu sorgfältig ausgewählter verkehrsrechtlicher Rechtsprechung und relevanten Fach- und Branchennews.

Recherchieren Sie systematisch in über 22.000 wichtigen Entscheidungen seit 1951 – über treffgenaue Volltextsuche nach Begriff, Paragraph, Aktenzeichen oder Gericht. Monatliche Updates halten Sie auf laufend neuestem Stand. Lesen Sie aktuelle Meldungen rund um das Verkehrsrecht. Ergänzend haben Sie Zugriff auf zentrale Gesetze.

Neben allen verkehrsrechtlichen Standardbereichen finden Sie auch relevante Nachbarfelder adäquat berücksichtigt:

  • Verkehrshaftpflicht und KFZ-Vertragsrecht
  • Verkehrsstrafrecht und Recht der Ordnungswidrigkeiten
  • Straf- und Zivilprozessrecht
  • Verkehrsverwaltungsrecht und Personenbeförderungsrecht
  • Kraftverkehrsversicherungsrecht
  • Sozialrecht
  • Güterkraftverkehrsrecht sowie Speditions- und Frachtrecht
  • Luftverkehrs- und Schifffahrtsrecht sowie Eisenbahnrecht
  • Planfeststellungsrecht
Verlagsprogramm  Nachrichten aus dem Bereich Recht 


(ESV/bp)