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Verkehrssicherungspflicht bei Baustellen 
08.04.2025

AG München: Schmerzengeld für Radfahrer nach Sturz an ungesicherter Baustelle

ESV-Redaktion Recht
AG München: Auch, wenn ein Bauunternehmen die ihm übertragenen Arbeiten auf ein Subunternehmen delegiert, muss es die Baustelle weiterhin regelmäßig kontrollieren – hier ein Symbolbid (Foto: Maryana / stock.adobe.com)
In welchen Umfang haftet ein Bauunternehmen, wenn es die ihm übertragene Bauausführung auf ein Subunternehmen delegiert? Diese und einige weitere Fragen zur Haftungsverteilung hat das AG München in einem Fall entschieden, in dem ein Radfahrer an einer Baustelle in einer Querrille stürzte, die nur mit Kies gefüllt war.


In dem Streitfall war der Kläger am 09.06.2023 mit dem Fahrrad zu seinem Büro unterwegs. Dabei musste er an einer Baustelle eine Spalte im Asphalt überqueren, die auf einer Breite von 1,33 m etwa 4 bis 5 cm tief mit Kies gefüllt war. Bei Durchqueren der Spalte an einer Stelle, an der Radfahrer dem Gegenverkehr ausgewichten war, stürzte er. Allerdings kannte er die Spalte, weil er diese seit einem halben Jahr regelmäßig auf dem Weg zur seiner Arbeitsstelle überquerte.
 
Bei dem Sturz erlitt der Kläger nach seinem Vortrag Schürfwunden an Ellenbogen, Hüfte und Knie. Darüber hinaus hätten sich mehrere Personen bei der Stadt München über die Baustelle beschwert, so der Kläger weiter, der das Bauunternehmen vor dem AG München auf Zahlung von Schmerzensgeld 1.000 EUR verklagte.

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AG München: Schmerzensgeld beziffert sich auf 300 EUR

 
Das AG München meinte nach einer Beweisaufnahme, dass der Spalt zwar ursächlich für den Sturz des Klägers war. Es verurteilte die Beklagte aber nur zu einer Schmerzensgeldzahlung von 300 EUR anstatt von 1.000 EUR. Die weiteren tragenden Erwägungen des Gerichts:


Kontrollpflichten der Beklagten

 
Auch, wenn die Beklagte einen Subunternehmer für die betreffenden Straßenarbeiten beauftragte und damit ihre Verkehrssicherungspflichten delegierte, war sie nicht von ihren weiterhin bestehenden Kontroll- und Überwachungspflichten entbunden.
 

Billige Entschädigung in Geld dem Grunde nach

 
Die Stadt München hatte die Beklagte mehrfach ohne Erfolg zur Versiegelung des Spalts aufgefordert. Obwohl der Beklagten die Gefahr, die von dem Baustellenspalt bekannt war, kam sie ihren Verkehrssicherungspflichten nicht nach. Hierbei betonte das Gericht, dass die Beklagte eine „billige Entschädigung in Geld“ zu leisten hat.
 

Höhe der Entschädigung


Die Höhe der Entschädigung setzte das Gericht nach freiem Ermessen bei Abwägung der folgenden Einzelfallumstände fest:
 
  • Art der Verletzungen des Klägers: Hierbei berücksichtigte es zunächst die Art und Dauer der Beeinträchtigungen des Klägers und dessen Schmerzen.
  • Mitverschulden des Klägers: Allerdings muss dem Gericht zufolge ein erhebliches Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB mit in die Abwägung einbezogen werden. Nach Auffassung des AG ging der Kläger „sehenden Auges“ ein für jedermann erkennbares Risiko ein, weil er die mit Schotter gefüllte Rille diagonal mit dem Fahrrad überquerte. Dieses besondere Risiko war ihm auch bekannt, weil er auf dem Weg zu seinem Büro die Rille täglich zwei Mal passierte. Bei angepasster Fahrweise wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, vor der Rille anzuhalten, zumal er in der konkreten Situation Gegenverkehr hatte, dem er  ausweichen musste.
  • Verschuldensgrad der Beklagten: Demgegenüber sah das AG das Verschulden der Beklagten als nicht unerheblich an. Dieser war bewusst, dass die Lücke im Asphalt, die mit Kies gefüllt war, die Verwaltungsvorgaben der Stadt München nicht erfüllt. Daher kam die Beklagte ihren Überwachungspflichten nicht ausreichend nach.
Die Entscheidung des AG München ist rechtskräftig.
 
Quelle: PM des AG München 07.04.2025 zum Urteil vom 11.10.104 – 231 C 10902/24


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(ESV/bp)