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Cannabiskonsum als Autofahrer 
05.04.2017

BGH: Wann fahrlässiges Führen eines KFZ unter Cannabis-Einfluss gegeben ist

ESV-Redaktion Recht
Cannabis im Straßenverkehr: Zunehmend im Fokus bei Kontrollen (Foto: Gerhard Seybert und Jiri Hera/Fotolia.com)
Wann darf der Tatrichter aus einem Grenzwert von mindestens 1,0 ng/ml THC-Konzentration im Blut eines Fahrers auf ein sorgfaltswidriges Verhalten schließen? Diese Frage hat kürzlich der BGH auf Vorlage des OLG Oldenburg entschieden.

In dem betreffenden Fall war der Betroffene am 20.02.2014 mit seinem PKW unterwegs. Dabei hatte er 1,5 ng Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut, was auf einen Cannabisgenuss zurückzuführen war. Das Amtsgericht Lingen hatte den Betroffenen nach § 24a Absätze 2 und 3 StVG wegen Fahren unter Drogeneinfluss verurteilt. Das Gericht war allein aufgrund der festgestellten THC-Konzentration im Blut davon ausgegangen, dass der Betroffene hinsichtlich der Cannabiswirkung zum Zeitpunkt der Fahrt fahrlässig handelte, und zwar ohne sich auf weitere Beweisanzeichen zu stützen.

Im Wortlaut: § 24a Absätze 2 und 3 StVG
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. […]

(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg wollte die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen nach § 79 Absatz 5 OWiG verwerfen. Allerdings meinte das Gericht, dass es unter anderem durch die Entscheidungen des OLG Celle vom 29.12.2014, des OLG Karlsruhe vom 10.05.2014 sowie des OLG Stuttgart vom 10.02.2011 daran gehindert war. Die Richter aus Oldenburg haben die Sache daher dem BGH vorgelegt. 

Hintergrund
Bei regelmäßigem Konsum von Cannabis, lässt sich nach mehr als 72 Stunden nach dem letzten Konsum noch ein aktiver THC-Wert feststellen, der erheblich über dem derzeitigen Grenzwert von 1,0 ng/ml liegt. Bei weniger starkem Konsum ist nach dieser Zeit regelmäßig kein THC mehr im Blut nachweisbar. Selbst mehrere Wochen nach dem Konsum von Cannabis lassen sich noch sogenannte Abbaustoffe im Blut feststellen.

Der BGH entschied hierzu leitsatzartig wie folgt:

  • Nach einem vorausgegangenen bewussten Konsum von Cannabis muss der Führer eines Kraftahrzeugs nach BGH-Auffassung sicherstellen, dass er sein KFZ nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum führt. Das bedeutet, der Fahrzeugführer muss vor Fahrtantritt zunächst eine gehörige Selbstprüfung durchführen. Soweit erforderlich, muss er sich fachkundigen Rat einholen. Kann er keine eindeutige Beurteilungsgrundlage erhalten, muss er die Fahrt unterlassen, so der BGH weiter. 
  • Ohne einen zeitlichen Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Cannabiskonsum, kann der Tatrichter aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne von § 24a Absätze 2 und 3 StVG schließen, wenn keine entlastenden Beweisanzeichen ersichtlich sind.
  • Der Fahrlässigkeitsvorwurf des § 24a Absatz 3 StVG, beziehe sich dem BGH zufolge zwar auf die Wirkung von Cannabis zum Zeitpunkt der Fahrt. Hierfür sei allerdings nicht erforderlich, dass der Betroffene spürbare Auswirkungen des konsumierten Cannabis wahrnehmen kann. Ebensowenig müsse der Fahrzeugführer die Wirkung von Cannabis näher physiologisch oder biochemisch einordnen können.
Standpunkt: Unscharfer Bergriff des „zeitlichen Zusammenhangs”, Assessor jur. Bernd Preiß (ESV-Redaktion Recht)
  • Was der BGH mit dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum und dem Fahrtantritt meint, ist unklar. Nach hiesigem Verständnis dürfte ein zeitlicher Zusammenhang erst dann nicht mehr gegeben sein, wenn sicher ist, dass der Konsum von Cannabis keinerlei Wirkung mehr auf den Fahrer hat. 

  • Daher irritiert die Aussage im zweiten Leitsatz: Dort meint der 4. Strafsenat des BGH, dass kein zeitlicher Zusammenhang mehr zwischen dem Konsum und dem Fahrtantritt besteht. Dennoch wurde bei dem betroffenen Fahrer eine THC-Konzentration von mindestens 1,0 ng/ml im Blut festgestellt. Danach besteht sehr wohl ein zeitlicher Zusammenhang, denn der Fahrzeugführer muss auch in diesem Fall offensichtlich vor der Fahrt Cannabis zu sich genommen haben. Die Frage ist also, wie weit oder wie eng dieser Zusammenhang zu ziehen ist.

  • Verständlicher werden die hohen Anforderungen an die Sorgfaltsplficht allerdings vor dem Hintergrund, dass bei starkem Konsum auch nach mehr als 72 Stunden noch THC-Konzentrationen von mehr als 1,0 ng/ml Blut möglich sind. 

Quelle: PM des BGH vom 04.03.2017 zum Beschluss vom 14.02.2017 - Beschluss des BGH vom 14.02.2017 – AZ: 4 StR 422/15    

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(ESV/bp)