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Geschwindigkeitsübertretung 
06.01.2017

AG Mannheim: Geschwindigkeitsmessung durch Poliscan Speed Blitzer nicht immer zuverlässig

ESV-Redaktion Recht
Messwertbildung bei Blitzern muss der Bauartzulassung entsprechen (Foto: goldencow_images/Fotolia.com)
Der Poliscan Speed Blitzer misst Geschwindigkeiten mit Lasertechnik und wird vielfach für Kontrollen im Straßenverkehr eingesetzt. Das AG Mannheim hat nun kürzlich festgestellt, dass die Messwertbildung von der Bauartzulassung abweichen kann.


Das Gerät der Firma Vitronic wird als Tower und auch als mobile Anlage eingesetzt. In dem vom Amtsgericht Mannheim entschiedenen Fall wich die  Bildung der Messwerte von den Vorgaben der Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ab. Die PTB ist als Bundesbehörde auch für die Prüfung und Zulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten zuständig.

Messung muss im Bereich von 20 bis 50 Metern erfolgen

Gemäß der Bauartzulassung für das Gerät muss die Messwertbildung in einem Bereich zwischen 20 bis 50 Metern vor dem Gerät erfolgen. In dem betreffenden Fall hatte jedoch ein Sachverständiger festgestellt, dass auch Messwerte außerhalb dieses vorgeschriebenen Bereichs in die Messwertbildung eingeflossen sind.

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AG Mannheim: Messgerät misst anders, als Bauartzulassung vorsieht

Das AG Mannheim ist daher der Auffassung, dass das Messgerät anders misst, als dies in der Bauartzulassung vorgegeben ist. Hervorzuheben ist, dass der PTB diese Abweichung anscheinend bekannt war, aber insoweit nichts weiter unternommen hat. Daher konnte die PTB in dem Verfahren vor dem AG Mannheim auch die Frage, ob die Art der Messwertbildung korrekt ist und zuverlässige Ergebnisse erbringt, nicht beantworten.

Hieraus schloss das AG, dass selbst bei gültigen Messungen die zulässige Verkehrsfehlergrenze überschritten sein kann. Daher, so das Gericht, wäre in einem solchen Fall dann nicht mehr von einem ordnungsgemäß geeichten Messgerät auszugehen. Das betreffende Verfahren stellte das Gericht somit nach § 47 Abs. 2 OWiG ein. 

Im Wortlaut: § 47 OWiG Absatz 2 - Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
(2) Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine Ahndung nicht für geboten, so kann es das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn durch den Bußgeldbescheid eine Geldbuße bis zu einhundert Euro verhängt worden ist und die Staatsanwaltschaft erklärt hat, sie nehme an der Hauptverhandlung nicht teil. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.


Was daraus folgt

  • Eine pauschale Aussage, dass sämtliche Messungen mit dem Messgerät PoliScan Speed von vornherein unverwertbar sind, lässt sich daraus allerdings noch nicht ableiten.
  • Dem Gericht zufolge muss bei jeder einzelnen Messung geprüft werden, ob die zur konkreten Messwertbildung beitragenden Rohdaten die Bedingungen der Bauartzulassung einhalten oder nicht.
  • Auch andere Amtsgerichte, wie z.B. Aachen, Berlin-Tiergarten, Dillenburg und Königs Wusterhausen hatten schon entschieden, dass die Apparate rechtsstaatliche Grundsätze verletzten, weil eine nachträgliche Kontrolle der Daten kaum möglich sei.
  • Pressemeldungen aus dem Jahr 2014 zufolge soll die Software an vielen Geräten dieser Bauart ausgetauscht worden sein. Dass der Fehler noch immer nicht vollständig und an allen Geräten behoben worden ist, zeigt der jüngste Fall vor dem AG Mannheim. Allerdings scheinen die Oberlandesgerichte dazu zu tendieren, die Entscheidungen der Amtsgerichte wieder aufzuheben. 
  • Wer betroffen ist, sollte den gegen ihn gerichteten Vorwurf dennoch in jedem Fall überprüfen lassen. Letzlich wird wohl der Bundesgerichtshof über die Verwertbarkeit der Daten dieser Messgerätreihe entscheiden müssen.
Quelle: PM www.Bussgeldkatalog.org zum Beschluss des AG Mannheim vom 29.11.2016 - 21 OWi 509 Js 35740/15
 
Weiterführende Literatur
Die Datenbank VRSdigital.de, Die Rechtsprechungsdatenbank zum Verkehrsrecht, herausgegeben von Rechtsanwalt Volker Weigelt, Berlin, ist die Entscheidungssammlung mit Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts. Sie finden hier die relevante Rechtsprechung seit 1980. Alle Entscheidungen im Volltext ermöglichen schnelle und aktuelle Recherchen in den Standardbereichen des Verkehrsrechts den themenverwandten Rechtsgebieten. Hierzu gehören unter anderem das Recht der Verkehrshaftpflicht, das KFZ-Vertragsrecht, das Verkehrsstrafrecht, das Recht der Ordnungswidrigkeiten oder das Verkehrsverwaltungsrecht.


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(ESV/bp)