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Mord oder fahrlässige Tötung? 
01.04.2019

LG Berlin: Autoraser vom Ku'damm erneut wegen Mordes verurteilt

ESV-Redaktion Recht
LG Berlin: Ku'dammraser erneut wegen Mordes verurteilt (Foto: Martina Berg/Fotolia.com)
Im Februar 2017 hatte die 35. Große Strafkammer des LG Berlin erstmals zwei Teilnehmer eines illegalen Autorennens wegen Mordes verurteilt. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Urteil gekippt hatte, musste nun die 32. Große Strafkammer des LG Berlin über den Fall entscheiden.


Den Feststellungen der 35. Kammer des  Landgerichts (LG) Berlin zufolge befuhren die beiden Angeklagten am 01.02.2016 kurz nach Mitternacht mit ihren leistungsstarken Fahrzeugen den Kurfürstendamm in Berlin. Im Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße fuhren sie bei rot – und mit Geschwindigkeiten zwischen 139 bis 149 km/h bzw. zwischen 160 bis 170 km/h – in den Kreuzungsbereich ein. Hierbei stieß einer der Angeklagten mit einem unbeteiligten Dritten zusammen. Dieser kam bei grün aus der Nürnberger Straße und erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Die 35. Strafkammer wertete das Verhalten der beiden Raser als Mord.

BGH: Angeklagte haben konkrete Gefahr zu spät erkannt

Demgegenüber schloss der 4. Strafsenat des BGH den Tötungsvorsatz der Angeklagten – als Eventualvorsatz – zwar nicht vollkommen aus. Die Vorstellung einer Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer kam den Angeklagten aber erst, als das Geschehen, das zu dem Unfall führte, nicht mehr gestoppt werden konnte. Ein Vorsatzdelikt, so der Senat weiter, hätte die 35. Große Strafkammer des LG Berlin damit nicht hinreichend begründet. Der Senat hob das Urteil auf und verwies den Fall zur weiteren Aufklärung an des LG Berlin zurück.


32. Große Strafkammer: Angeklagte hätten rechtzeitig abbremsen können

Den Erwägungen des BGH folgte die 32. Große Strafkammer des LG Berlin – die nun entscheiden musste – nicht. Die Kammer meinte nach 23 Verhandlungstagen, dass sich die Angeklagten zufällig und spontan zu einem sogenannten Stechen verabredet hatten. Hieraus, so die Berliner Richter weiter, habe sich dann ein Autorennen entwickelt. Die weiteren tragenden Gründe der Kammer:

  • Auf Kreuzung zugerast: Die Angeklagten wären bei Rotlicht mit bis zu 170 km/h und durchgedrückten Gaspedalen auf die Kreuzung zugerast. Obwohl der Bereich vor der Kreuzung zur Nürnberger Straße schlecht einsehbar war, hätten die Angeklagten nicht abgebremst.
  • Kräftemessen wichtiger als Gefahr für andere Teilnehmer: Vielmehr wäre es ihnen entsprechend ihres gemeinsamen Tatplans nur darauf angekommen, ihre Kräfte zu messen und zu gewinnen. Dabei hätten die Angeklagten das Risiko für andere Verkehrsteilnehmer sehr wohl erkannt und trotzdem weitergemacht. Hierbei wäre ihnen alles andere egal gewesen.
  • Eventualvorsatz: Somit hätten die Angeklagten den Tod anderer Verkehrsteilnehmer bewusst und billigend in Kauf genommen. Dieses Bewusstsein hätten sie auch schon zu einem Zeitpunkt gehabt, an dem sie noch hätten bremsen können und  an dem sie ihre Fahrzeuge noch unter Kontrolle hatten. Trotzdem hätten sie ihre Füße nicht vom Gaspedal genommen. Damit sei juristisch von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen.
  • Schutzbehauptung der Angeklagten: Die Einlassung der Angeklagten, sie hätten bis zuletzt darauf vertraut, dass schon nichts passieren werde, wies die Kammer zurück. Angesichts der Geschwindigkeiten, der technischen Ausstattung ihrer Fahrzeuge sowie den schlechten Sichtverhältnissen hätten die Angeklagten keinesfalls auf einen positiven Ausgang hoffen können. Hierfür hielt die Kammer die objektive Gefährlichkeit des Verhaltens der Angeklagten für viel zu hoch und wertete deren Einlassung als Schutzbehauptung.
  • Eigenes Todesrisiko unerheblich: Dass die Angeklagten sich selbst einem Todesrisiko ausgesetzt hätten, spreche nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Dieses Risiko, so die Kammer weiter, hätten die Angeklagten um des Rennens Willen akzeptiert.
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Mordmerkmale erfüllt

Damit haben die Angeklagten den Tod anderer Verkehrsteilnehmer nicht nur billigend in Kauf genommen. Vielmehr haben sie nach Auffassung der Kammer auch mehrere Mordmerkmale des §§ 211 StGB erfüllt:
  • Heimtücke: So hätten die Angeklagten es dem Zufall überlassen, ob und wie viele Menschen durch ihr Verhalten geschädigt werden. Demgegenüber wäre der getötete Fahrer vollkommen arg- und wehrlos gewesen. Dieser habe nämlich zu Recht darauf vertraut, dass ihm bei grün keine Gefahr drohe.
  • Niedrige Beweggründe: Zudem stehe das Motiv der Angeklagten, das Autorennen um jeden Preis zu gewinnen, sittlich auf tiefster Stufe, so die 32. Große Strafkammer des LG Berlin anschließend. 
  • Gemeingefährliche Mittel: Zudem hätten die Angeklagten ihre Tat mit gemeingefäherlichen Mitteln begangen, da ihre Fahrzeuge aufgrund ihres Verhaltens zu unbeherrschbaren Projektilen wurden.


Wie es weitergeht

Ob die Angeklagten nun – wie zuvor – erneut auf den BGH hoffen dürfen, scheint sehr zweifelhaft:

So haben die obersten deutschen Zivilrichter aus Karslruhe zwischenzeitlich im Hamburger „Autoraser-Fall“ die Revision des dortigen Angeklagten als unbegründet angesehen und damit ein Urteil des Landgerichts (LG) Hamburg bestätigt. Das LG hatte den Auto-Raser ebenfalls wegen Mordes verurteilt. In diesem Fall war der alkoholisierte Fahrer mit einem gestohlenen Taxi in der Hamburger Innenstadt vor der Polizei geflohen. Dabei befuhr er unter anderem die dreispurige Gegenfahrbahn. Auf der kurvenhaltigen Strecke – die baulich vom Rest Fahrbahn getrennt war – raste er mit Geschwindigkeiten bis zu 155 km/h. Aufgrund von Kollisionen mit dem Fahrbahnkantstein und einer Verkehrsinsel verlor er die Kontrolle über sein Auto und stieß mit ca. 130 km/h frontal auf ein entgegenkommendes Fahrzeug. Einer der Insassen starb bereits am Unfallort.   

Quelle: PM des LG Berlin vom 26.03.2019 zum Urteil vom selben Tag –  532 Ks 9/18

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(ESV/bp)