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Kreuzberger Autoraserfall 
04.05.2020

BGH: Urteil des LG Berlin in Kreuzberger Raserfall aufgehoben

ESV-Redaktion Recht
Das LG Berlin sah in der Raserei des Angeklagten eine Flucht vor der Polizei um jeden Preis (Foto: ambrozinio / stock.adobe.com)
Ist es Mord oder doch nur fahrlässige Tötung, wenn andere Verkehrsteilnehmer durch Autoraser ums Leben kommen? Noch immer beschäftigt diese Frage die Gerichte und vor allem den BGH, der kürzlich erneut ein Berliner „Raserurteil“ aufgehoben hat.


In dem Fall war der 34-jährige Angeklagte im September 2017 morgens stark betrunken in Berlin im Stadtteil Kreuzberg unterwegs. Er fuhr ohne Führerschein und Aufenthaltserlaubnis sowie mit gestohlenen Baumaschinen im Kofferraum. Um einer Polizei-Kontrolle zu entkommen, überfuhr er im morgendlichen Berufsverkehr zunächst eine rote Ampel. Anschließend fuhr er in einer Tempo 30-Zone auf einen Fußgängerüberweg zu. Hierbei soll er nach Überzeugung des Berliner LG etwa 75 km/h schnell gewesen sein. Auf dem Fußgängerüberweg erfasste er dann eine 27-jährige Fußgängerin mit ihrer 5-jährigen Tochter. Hierbei wurden Mutter und Tochter lebensgefährlich verletzt.

Landgericht Berlin: Flucht um jeden Preis

Die Richter des LG Berlin waren davon überzeugt, dass der Angeklagte schon von Weitem erkennen konnte, dass Fußgänger die Straße überquerten. Bei seiner Fahrt habe er nicht ansatzweise darauf vertrauen können, dass das gut geht, so das LG weiter. 

Zudem war der Angeklagte schon vorher strafrechtlich aufgefallen. Das LG bezeichnete ihn als hochkriminelle Persönlichkeit, weil er schon mehrfach vorbestraft war und bereits sieben Jahre Haft wegen anderer Delikte verbüßt hatte. Das LG Berlin verurteilte ihn daraufhin wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft. Hiergegen wendete sich der Angeklagte mit einer Revision zum BGH.

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BGH: Tathergang und Geschwindigkeit nicht nachvollziehbar belegt

Mit Erfolg: Der 4. Strafsenat hob das Urteil des LG Berlin auf und verwies den Fall an eine andere Strafkammer des Berliner LG zurück. Nach Auffassung des Senats ist das Berliner Urteil lückenhaft und widersprüchlich. Der Senat begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

  • Tatvorsatz nicht schlüssig begründet: Nach Auffassung des Senats ist nicht nachvollziehbar belegt, dass der Angeklagte erkennen konnte, ob Fußgänger den Fußgängerweg überquerten. Hätte der Angeklagte dies erkannt und wäre dennoch mit unvermindert hoher  Geschwindigkeit weitergefahren, könnte die Annahme von Eventualvorsatz – auch dolus eventualis genannt – greifen. Dann ließe sich nämlich argumentieren, der dass er den Tod der Fußgänger zumindest „billigend in Kauf“ genommen hätte. An diesem Nachweis hat der 4. Strafsenat des BGH aber Zweifel.
  • Zweifel an der Geschwindigkeit: Außerdem ist dem Senat zufolge nicht erwiesen, dass der Angeklagte tatsächlich mit mindestens 75 km/h auf den Fußgängerüberweg zuraste. Die Zeugenangaben hierzu erschienen dem BGH zu vage.
  • Angaben des Sachverständigen unklar: Auch die Angaben, auf die der Sachverständige sich gestützt hatte, waren dem 4. Strafsenat des BGH zufolge unklar.

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Quelle: Zahlreiche Medienberichte zum „Kreuzberger Raserfall“ unter Berufung auf dpa zum BGH-Verfahren 4 StR 96/19

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(ESV/bp)