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Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt 
23.03.2022

OLG Hamm: Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung durch Lesen von Textnachrichten am Steuer rechtskräftig

ESV-Redaktion Recht
OLG Hamm: Wer während der Fahrt Textnachrichten verfasst, setzt sich in besonders grober Weise über rechtlich geschützte Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer hinweg (Foto: patrick / stock.adobe.com)
Dass eine Bearbeitung von Textnachrichten am Steuer gefährlich ist, bedarf keiner weiteren Diskussion. Verursacht der Fahrer hierdurch aber einen Unfall, bei dem ein Beteiligter stirbt, steht für den Unfallverursacher eine Freiheitsstrafe im Raum – und diese muss nicht ohne Weiteres zur Bewährung ausgesetzt werden. Dies zeigt ein Fall, den das OLG Hamm kürzlich entschieden hat.


In dem Streitfall fuhr der Angeklagte am 19.04.2019 mit seinem Fahrzeug von Verne aus in Richtung Salzkotten. An dieser Stelle gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h. Bei seiner Fahrt mit überhöhter Geschwindigkeit las er auf seinem Handy zunächst zwei Textnachrichten. Nachdem er eine sehr kurze Antwort schrieb, legte er das Telefon auf der Mittelkonsole ab. Hierbei übersah er in einer lang gezogenen Rechtskurve drei Personen auf Fahrrädern. Dabei handelte es sich um eine Mutter mit ihrer 3-jährigen Tochter auf dem Fahrradkindersitz und ihrer 6-jährigen Tochter, die vor ihr fuhr. Als der Angeklagte wieder aufblickte, erkannte er die Fahrradfahrerinnen und versuchte noch zu bremsen. Er konnte die Kollision mit den Radfahrerinnen aber nicht verhindern und erfasste diese mit einer Geschwindigkeit mindestens von 82 km/h. Bei dem Aufprall wurde die Mutter getötet und ihre beiden Töchter schwer verletzt.

Das AG Paderborn sah in dem Verhalten des Angeklagten eine fahrlässige Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und verurteilte den Unfallfahrer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Berufungsinstanz – das LG Paderborn – verkürzte zwar die Freiheitsstrafe auf ein Jahr und neun Monate. Allerdings setzte das LG die Strafe nicht zur Bewährung aus. Gegen die Berufungsentscheidung zog der Angeklagte mit einer Revision vor das OLG Hamm.


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OLG Hamm: Grobes Hinwegsetzen des Angeklagten über die Sicherheitsbelange anderer rechtfertigt keine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg – das OLG Hamm hat das Rechtsmittel verworfen. Zugunsten des Angeklagten wertete das OLG – ebenso wie die Vorinstanz – das frühe und umfassende Geständnis. Dieses ersparte auch den Kindern eine belastende Aussage in der Hauptverhandlung. Weiterhin berücksichtigte es die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 Euro, für die der Angeklagte einen Kredit aufgenommen hatte. Für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung reichte es den OLG-Richtern aus Hamm aber dennoch nicht. Dies begründeten sie im Wesentlichen wie folgt:   

  • Schreiben einer Textnachricht während der Fahrt zeigt erhebliche Sorg- und Verantwortungslosigkeit:  Gegen den Angeklagten sprach zunächst, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 15 km/h überschritt. Hierbei fiel aber besonders das Verfassen der eigenen Textnachricht während der Fahrt gegen ihn ins Gewicht. Dieses Verhalten, so das OLG, hatte eine massive Ablenkung vom Verkehrsgeschehen zur Folge. Daher wäre dem Angeklagten eine ganz erhebliche Sorg- und Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen.
  • Grobe Missachtung der Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer: Diesen vorsätzlichen Verstoß gegen das Verbot, elektronische Geräte wie Mobiltelefone aufzunehmen und zu bedienen, wertete das OLG als besonders schwerwiegend. Demnach hat sich der Angeklagte ohne Bedenken für einen belanglosen Austausch von Textnachrichten über rechtlich geschützte Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt. Damit habe der Angeklagte gezeigt, dass er eine Norm, die durch ihren erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnet ist, nicht ernst nimmt. Vielmehr vertraue er von vornherein darauf, dass eine etwaige Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, so die Richter aus Hamm abschließend.
Quelle: PM des OLG Hamm vom 17.03.2022 zur Entscheidung vom 08.03.2022 – III-4 RVs 13/22


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(ESV/bp)