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Autofahren unter Alkoholeinfluss 
11.11.2024

AG Frankfurt am Main: Schnaps-Pralinen nicht die Ursache für absolute Fahruntüchtigkeit

ESV-Redaktion Recht
Die Blutprobe des Angeklagten zeigte eine Konzentration von 1,32 Promille (Foto: jarun011 / stock.adobe.com)
Kann ein Autofahrer, der mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,32 Promille unterwegs war, diese Konzentration mit dem Genuss von Schnapspralinen erklären, deren Alkoholgehalt er nicht bemerkt hatte? Diese Einlassung könnte den Vorsatz seiner Trunkenheitsfahrt entfallen lassen. Über den Erfolg dieser Einlassung hat das AG Frankfurt am Main in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden.


In  dem Fall war der Angeklagte am 28.01.2024 um etwa 3:00 Uhr morgens mit seinem PKW in Hofheim am Taunus mit einer BAK von 1,32 Promille unterwegs. Das Führen des Fahrzeugs hatten zwei Polizeibeamte bestätigt und der Angeklagte räumte dies auch ein. Anzeichen für einen Nachtrunk lagen nicht vor.

Der Angeklagte gab jedoch an, zu keiner Zeit bewusst Alkohol konsumiert zu haben. Er sei vorher in der Sauna gewesen und habe sich – wahrscheinlich aufgrund zu vieler Aufgüsse – unwohl gefühlt. Nachdem er die Sauna verließ, sei er in seinem Auto eingeschlafen. Plötzlich klopfte ein Pärchen aus Belgien an sein Fahrzeug. Da er dem Pärchen gegenüber im Verlauf des Gespräches äußerte, er fühle sich unterzuckert, reichte ihm das Pärchen einen Beutel mit Pralinen, die er gegessen habe. Obwohl es ihm anschließend noch schlechter ging, sei  er losgefahren und wollte zu McDonalds. Hierbei habe ihn die Polizei angehalten. Den Polizeibeamten erklärte er, dass er keinen Alkohol getrunken hätte. Vielmehr habe er nur die „komischen Pralinen“ gegessen. Ein Atemtest hätte dann einen „seltsamen Wert“ angezeigt, sodass er mit zu Blutentnahme gekommen sei.

Auf die Frage welche Art von Pralinen er konsumiert habe, entgegnete er, dass es sich um schwarze Zartbitter-Schokolade gehandelt habe. Er nehme nun an, dass diese mit Vodka gefüllt waren. Allerdings habe er lediglich Schokolade geschmeckt und keinen Alkohol wahrgenommen. Nach seinen weiteren Angaben hatte er etwa 8 bis 9 Pralinen gegessen.

Der Vorhaltung, dass der Angeklagte in seiner Einlassung vom 02.07.2024 angab, dass er den Alkohol schon herausschmeckte, nachdem er einige Pralinen konsumiert hatte, entgegnete er, dass er insoweit wohl spekuliert habe. Zu 100 Prozent sei ihm der Alkoholgehalt in den Pralinen erst bewusst gewesen, als die Polizei ihn pusten ließ.

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AG Frankfurt am Main: Der Angeklagte nahm seine Fahruntüchtigkeit billigend in Kauf


Das AG Frankfurt am Main glaubte dem Angeklagten nicht. Es befand ihn der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr für schuldig und verurteilte ihn deswegen zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 90 EUR. Zudem entzog es ihm die Fahrerlaubnis und ordnete an, dass diese dem Angeklagten nicht vor Ablauf von 11 Monaten neu erteilt werden darf.

Das AG stützte seine Entscheidung ganz wesentlich auf die Einschätzung der hinzugezogenen Sachverständigen. Die tragenden Erwägungen des Gerichts: 

  • BAK beim Angeklagten entspricht 132 „Mon Chérie“-Pralinen: Demnach hätte der Angeklagte – bei einem Körpergewicht von etwa 85 kg – eine Menge von 87 g reinem Alkohol aufnehmen müssen. Dies entspricht etwa 109 ml. Unter der Annahme, dass er ein Weinbrandgetränk konsumiert habe, wären je nach Alkoholgehalt Mengen von 181 ml (bei 60 %) oder 272 ml (bei 40 %) erforderlich, um auf den festgestellten Promillegehalt zu kommen. Damit hätte der Angeklagte etwa 0,2 bis 0,3 Liter eines hochprozentigen Alkoholgetränks aufnehmen müssen. Umgerechnet auf handelsübliche Pralinen der Marke „Mon Chérie“ hätte er mindestens 132 Pralinen konsumiert haben müssen. Würde man zugunsten des Angeklagten davon ausgehen, dass er nur 12 Pralinen zu sich genommen hat, müsste jede Praline nur etwas kleiner gewesen sein als ein Tischtennisball, der ein Volumen von ungefähr 33,5 cm³ hat. Eine solche „Praline“ wäre eine absolut außergewöhnliche Sonderfertigung, deren Existenz sowohl die Sachverstädige als auch das Gericht für äußerst zweifelhaft hielten. 
  • Kein Vodka in den Pralinen: Darüber hinaus wurden in der Blutprobe die Begleitstoffe Methanol, 1-Propnaol sowie Iso-Butanol festgestellt. Diese Stoffe sind in Vodka nicht enthalten, sodass dieses Getränk entgegen den Vermutungen des Angeklagten ausscheidet. 
  • Trunkenheitsfahrt vorsätzlich: Weil das Gericht nicht nur die benannten, sondern auch weitere Einlassungen des Angeklagten als widersprüchlich und unglaubwürdig ansah, kam es zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte  – der zuvor schon wegen Betruges verurteilt worden ist – bewusst alkoholische Getränke zu sich nahm, bevor er seine Fahrt antrat. In Bezug auf seine Fahruntüchtigkeit handelte er nicht nur fahrlässig, sondern nahm diese billigend in Kauf.
Damit beging der Angeklagte nach Überzeugung des AG Frankfurt am Main eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt. 
 
Quelle: Urteil des AG Frankfurt am Main vom 29.08.2024 – 907 Cs 515 Js 19563/24


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(ESV/bp)